Frieden muss gestiftet werden

1943 Bomben auf Tunis

1992 Bomben auf Sarajevo

2022 Bomben auf Kiew

Die Muster gleichen sich.

Annexion Nationalismus Verbrechen Krieg

Leid Tote Verwuestung Heimatverlust

Im Zuge des Afrikafeldzuges der Achsenmâechte, kam es nach der deutschen Besetzung von Tunis zu drastischen Eingriffen in das Leben der juedische Bevoelkerung. General Walther Nehring verhaengte eine Geldbusse von 20 Mïllionen France ueber die juedische Gemeinde und den Zwang zur Arbeit beim Befestigungsbau. Rudolf Rahn beanspruchte die „Loesung der Judenfrage“ als seine Zustaendigkeit. Es entstand ein System von Arbeitslagern, die von Theo Saevecke geleitet wurden. Nur der rasche Sieg der Allierten in Nordafrika verhinderte das Schicksal der Juden in Europa. Weder Nehring, noch Rahn oder Saevecke mussten sich fuer ihre Verbrechen an der Menschlichkeit verantworten. Lukrative Beschaeftigung beim CIA und Bundesnachrichtendienst, Flucht nach Suedamerika und gefragter Mïlitaerexperte mit Bundesverdienstkreuz 1. Klasse zeichnen ihren Lebensweg nach 1945.

Wer wird sich fuer den Ueberfall auf die Ukraine verantworten muessen? Spaetesten mît der Situation im kurdischen Kobani und anderen Teilen Syriens erhaelt Pazifizierung, aktive kriegerische Intervention, eine hohe Prioritaet. Radikaler Pazifismus ist in Artikel 43 der UN-Charta verankert und spricht fuer eine global agierende UN-Polizei.

Die Welt lebt in zunehmender Chaotisierung und Anarchie. Staaten zerfallen, asymetrische Kriege nehmen zu. Abruestung bleibt auch in Zukunft oberstes Gebot. Doch eine auf Unterlassung orientierte Friedensstrategie wird den neuen Herausforderungen nicht gerecht. Die globale Verschaerfung um Ressourcen und Machtansprueche macht vor Mauern der Abschottung nicht halt. Die Chancen und Wege, den naechsten Generationen Bitternis und Leid zu ersparen, sind bekannt. Und in grosser Dringlichkeit zu nutzen.

Waehrend Sonne durch das riesige Dach der Baeme an der Rue de Roma in Tunis bricht, erklingt in der unweit gelegenen Kathedrale ein vielstimmig gesungenes Kyrie eleison…..Mitleid, Andacht, Hoffnung.

Grosser, groesster Nachbar

Von El Kefs Kashba aus, liegen die hoechsten Berge eines duenn besiedelten Mittelgebirges Richtung Westen, in Algerien. Zieht der Weg, wie der nach dem an der Kueste liegenden Tabarka, mehren sich Militaerstuetzpunkte und Patrouillen. Am sehr guten Verhaeltnis beider Laender, wie mehrfach von den Menschen bestaetigt, liegt die Anwesenheit nicht. Politisch mischt man sich gegenseitig nicht ein aber im Westsahara-Konflikt steht Tunesien offensichtlich hinter der algerischen Position. Bleibt als Grund, dass vor allem Richtung Sahel, angewachsene Probleme von Gruppen des radikalen Islamismus. Nach den letzten Anschlaegen von 2016 herrscht im Maghreb, diesbezueglich, Ruhe. Und so soll es, unter hartem militaerischem Durchgreifen, auch bleiben. Moegen die gesehenen, auch in Kleinstaedten eingerichteten Treffpunkte der Kinder und Jugendlichen, mit Angeboten fuer Kultur und Sport, ihren Teil dazu beitragen und erhalten bleiben. Die Situation in Libyen bereitet Tunesien als auch Algerien mit Blick auf die von dort ausgehende Instabilitaet grosse Sorge. Beide Laender lehnen jegliche militaerische Intervention ab und setzen sich fuer eine politische Loesung, einen Dialog aller libyschen Parteien ein.

Mit der grossangelegten Militaeroffensive Barkhane , dem “ franzoesischen Eckpfeiler der Terrorbekaempfung in der Sahelzone“, kam es ab 2014 zu Operationen in den ehemaligen franzoesische Kolonien Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger. Diese Militaeroperatin war in den beteiligten Staaten umstritten, kostete 700 Millionen Euro im Jahr und verbesserte die Sicherheitslage nicht. Im Jahre 2020 hatte sich die Zahl der Anschlaege im Sahel verfuenffacht. Besonders Burkina Faso war 2019 mit mehr als 4000 getoeteten Menschen Leidtragender dieses Konfliktes. Auch die an den Sahel angrenzenden Wuestengebiete Algeriens gelten als ueberregionale Transitroute und Rueckzugsgebiet des Dschihadismus. Eine Ausweitung der franzoesischen Militaeroperation galt, im Hinblick auf ein schweres koloniales Erbe, als ausgeschlossen.

Ein Satz sei nie vergessen : KOLONIALISMUS DURCHDRINGT ALLES .

Die Bilanz dieses globalen Eroberungsprojektes ist verheerend : Genozid, Menschenraub und wirtschaftliche Auspluenderung in nie dagewesener Dimension. Und das erbe des Kolonialismus wirkt weiter : in den Koepfen der Menschen, in den Strukturen der neuen Staaten in Abhaengigkeiten, die nun viel subtiler sind aber oft nicht minder praegend.

Anders als die meisten anderen Kolonien Frankreichs war Algerien stark von seinen Fremdherrschern besiedelt. Die Unabhaengigkeit Algeriens war von einem grausamen, von beiden Seiten gefuehrten Krieg ueberschattet. Um die Unabhaengigkeit zu forcieren, griff die algerische marxistisch-nationalistische FLN ab 1954, neben der politischen Arbeit, zu Mitteln des Terrorismus. Das franzoesische Militaer behielt die Oberhand aber Kriegsverluste und Menschenrechtsverletzungen machten die Auseinandersetzung sehr umstritten. Unter der Regierung von Charles de Gaulle, wurde mit den algerischen Anfuehrern verhandelt. In Folge dessen und einer sich abzeichnenden Zeit der Unabhaengigkeit, gruendete sich 1960 die OAS. Diese “ Geheime bewaffnete Organisation“ war eine franzoesische Untergrundbewegung, die einerseits nationalistische Algerier bekaempfte, anderseits den franzoesische Staat, der die Unterdrueckung der Unabhaengigkeit nicht mehr aufrecht erhalten wollte. Nach einem sechs Tage dauernden Putschversuch in Algier, begann der Untergrundkampf mit Attentaten und Sprengstoffanschlaegen. Ziel war es, eine Eskalation des Konfliktes auf allen Seiten zu befeuern. Neben toedlichen Anschlaegen in Frankreich, waren die Hauptleidtragenden jedoch die muslimischen Algerier. Mehrere tausend Menschen fielen dem Terror des OAS zum Opfer.

Als im Maerz 1962 Algerien mit den Vertraegen von Evian seine Unabhaengigkeit erlangte, rebellierte die OAS in einem offenen Kampf gegen den franzoesische Staat und betrieb eine Politik der verbrannten Erde. Strassenkaempfe in Stadtteilen von Algier, Sprengung der dortigen Universitaetsbibliothek und mehrerer Bildungseinrichtungen in Oran. Erst nach der Verhaftung oder Toetung fuehrender Mitglieder der OAS beruhigte sich die Lage.

Bis in die heutigen Tage geht die politische Fieberkurve zwische Algerien und Frankreich immer wieder steil nach oben. Nach der letzten politischen Krise vom Oktober 2021 hat Praesident Macron deutlich gemacht, dass er beim Thema koloniales Erbe und Erinerung mehr Sensibilitaet zeigen will. Daneben verlaeuft ein Wandel in der algerischen Verwaltung, im diplomatischen Apparat und dem Militaer. Hier haben sich Eliten durchgesetzt, die ihre Ausbildung in Algerien und nicht in Frankreich durchlaufen haben. Paris kann nicht mehr auf seine natuerlichen Verbuendeten und Partner von einst setzen. Es bleibt abzuwarten, was die zwei Buehnen zeigen. Die offene mit Streitereien, Versoehnung und Aufarbeitung. Die geheime der diskreten Geschaefte von Militaer, Geheimdienst und Unternehmen.

Quo vadis ?

Der Blick von Norden auf die Kette des Treboursouk-Gebirge. Imponierend ein Nahe der algerischen Grenze gelegenes Felsplateau, dass einer Drachenburg gleicht. Und die Medina von El Kef, von der Sonne, wie ein Schwalbennest an die abfallende Seite genagelt. Von den letzten Haeusern der Stadt her, zieht eine immer hoeher und schroffer werdende zerklueftete Wand einen Kilometer langen Kreis. Umschliesst fruehlingswallende fruchtbare Felder, lockere Pinienhaine, Dorfflecken, verstreute Hoefe und Quellen.

Weiter gen Norden schlaengelt sich die einsame Strasse nach Touiref ueber huegelige kleine Bergruecken. Ueberquert das truebe Staubecken des Mellegue-Fluss und macht den Kopf frei fuer Gedankenwege, fuer die Fetzen aufgelesener Geschichte auf dieser Reise. Iberi, Hispania, Hannibal, Provinz Africa, Byzanz und das Spektrum der Ostkirchen…

Und dann, nach einer an tschechische Bahnuebergaenge der 80er Jahre erinnernden Querung, lehnt das Rad an 2000 Jahren Geschichte. Die fest geschotterte Strasse ueber den Medjerda-Fluss gibt nach einer Steigung, einen weiten Talblick und Gemaeuer antiker Zeiten preis. Nach der Eroberung Karthagos setzte das Roemische Imperium rasch seine Posten in erobertes punisches Gebiet. Teils prachtvolle Zivil- und Sakralbauten, Theater, Grabkammern und unterirdische Prachthaeuser zeugen von einer reichen Geschichte des oestlichen Maghreb.

Grosses klappern ueber der Landstrasse und die riesigen Nester der villeicht aus Andalusien herueber gezogenen Stoerche scheinen im milchigen Licht zu schweben. Lada Niva und Logan bereichern das sonst von Peugeot und Toyota dominierte Aufkommen. Die kleinen Tuerme aufgebauter Benzinkanister versprechen einen kleinen Gewinn zum Tranfer aus Algerien. Vor Bou Salem, wo eine Staubwolke den Wochenmarkt ankuendigt, werden aus aufgebrochener, fetter Erde die ersten Kartoffeln gehoben.

In die abendsonnigen Berge hinein kurbeln die Raeder eine Kilometer lange Steigung. Der Blick beginnt eine Zeltwiese zu finden. Da erscheint hinter einer Mauer Habib. Holt vom Hang zwei Kuehe und laed fuer die Nacht in sein Haus. Seine Frau weilt in Tunis, die Tochter Argil scheint ueber unser erscheinen wenig erfreut. Wir koennen Tee kochen, den grossartigen Terassenblick in die Nacht begleiten und sehen Teile eines TV-Filmes ueber den US begleiteten Vormarsch der Nordallianz in Afghanistan. Nach gemachter Waesche und geputzten Fussboeden, sitzen wir mit Habib vor duftenden Tellern und tunken Weissbrot in rote, dicke Kartoffel-Erbsensuppe.

Tags darauf laesst die Strecke durch das Kroumine-Bergland, mit den vielleicht groessten Korkeichenwaeldern Nordafrikas, alle Schoenheit bluehen. Aber die Afghanistanbilder haben sich in die Gedanken genistet. Wo steht dieses Land nach weiteren 20 Jahren Krieg und geopolitischer Einmischung heute? Der nicht abzuschuettelnde Hauch von Terror und Leid kriecht mit ins beschaulich und sonnig gelegene Ain Draham. Wo ich ploetzlich vom Balkon aus ein Srebrenica erblicke. Ins gruene Tal gelegte Kleinstadt. Moscheen, schmale Treppengassen, die Bergstrassen schneident. Neubauten, Schule, Marktstaende, Krankenhaus, Tankstation, die verwinkelten Viertel des Alltags. Schaue und lausche in Gesichter und abendliches Leben. Spuere eine Bedrohung, aus dem Wissen, den Bildern von brutal hinweg gerissenen Welten.

Mudun allah almuqadasa

HEILIGE STAEDTE ALLAHS

Gruen, weiss und blau raschelndes wirbelt ueber einem Haufen Sand. Staub und Abgase fliegen umher. Auf dem Gehsteig stehen angeleinte Schafe vor Fleischerlaeden, daneben wartende Maenner hinter leuchtenden Orangenpyramieden auf fahrbaren Wagen. Ueber die Fahrbahn treiben dick gefuellte Tueten und ein scharfer Ostwind zerrt an allem, was der Muell auf dem Brachland zu bieten hat.

Durch eine Haeuserzeile ist die ausserhalb der Stadtmauer liegende Grabanlage des Zam al Balawi mit ihren leuchtenden Kuppeln zu sehen. Die noerdliche zeigt eine andalusische Art mit Turmaufsatz, die andere eine gleichmaessige Faecherung mit kroenender Spitze. Der hier beigesetzte Lokalheilige Kairouans wird als verehrter Gefaehrte des Propheten Mohammed betrachtet. Diese sogenannten Sahaba sind die unmittelbaren Zeugen des islamischen Propheten. Ihre Berichte bilden die Grundlage der gesammelten Ueberlieferungen, die in den mehrere Baende fuellenden Hadithe zu finden sind.

Mekke, Medina und Jerusalem gelten uneingeschraenkt als die heiligen Staedte des Islam. Die vierte Stelle traegt die Gunst der Variablen. Und so wundert es nicht, dass die Kairouaner ihre Stadt an diesem Platz sehen.

Sowohl in den Gelehrtenbiographien als auch in Reiseberichten andalusischen Ursprungs steht der islamisch gepraegte Charakter Kairouans im Vordergrund. Sie ist Zentrum arabischer Kultur und Ziel Reisender auf ihrem Pilgerweg nach Mekka. Unter wechselnder Herrschaft von Aghlabiden, Fatimiden und Zividen zeigt sich ein Bild von Bluete, Krieg und Fehden. Erst genannte schufen fuer die Zeit des Mittelalters beeindruckendes System der Wasserversorgung. Bewaesserungskanaele und kreisfoermige, auch zur Reinigung dienende, Zisternen, von denen die groesste einen Umfang von gut 400 Metern besitzt. In dieser Zeit wuchsen wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen zu Mesopotanien, ins persische Reich und nach Hispania. Noch heute sind an einigen der ueber 30 Moscheen der Stadt Verknuepfungen zu andalusischen Sakralbauten erkennbar. Der zentrale Martbereich, nach Zuenften geordnet, aus ueberwoelbten und offenen Gassen bestehend, kann durch 16 Tore geschlossen werden.

Nach gut einer Stunde Fahrt sind die Auslaeufer des Djebel Baloutta Massiv zum greifen nah. Im Windschatten eines Rohbaues, mit Blick auf ein grosses Zementwerk, machen wir Mittag. Ueber die Strasse hin, zieht eine junge Frau ihren Rollkoffer den staubigen Platz vor dem Werktor entlang. Am Beginn des ersten Hochtales spannt sich der Vorhang einer Bergkette mit Oasengruen ueber das verlassen wirkende Grabmal eine Marabuth. Diese aus der Tradition des Sufismus, eines aus der islamische Mystik stammenden Heiligen, sind verehrte, ueberregionale Persoenlichkeiten. Ihre Grabstellen zeigen zumeist kalk geweisste Kuppelbauten, die sowohl Maennern als auch Frauen gewidmet sind. Waehrend der Blick die Landschaft sanft durch pfluegt, quitscht ein Mauertor im sonnigen Wind.

Gut zwanzig Kilometer vor Wesslatia steht an einer Bruecke, ueber einem trockenen Oasenzulauf, ein Denkmal fuer gefallene tunesische und algerische Soldaten. Sie standen in den Reihen der Alliierten und kaempften fuer die Freiheit ihrer Laender. 1943 standen sich diese und deutsch-italienische Truppen im Tunesienfeldzug gegenueber. Am Ende kapitulierten die Achsenmaechte mit ueber 250 000 Gefangenen nahe der Hauptstadt Tunis.

Am Abzweig nach Ain Jelloula leuchten die Kuppeln der bluehenden Mandelbaeume, stehen kleine Zypressen, kommen Eselskarren mit hoch gebundenem Schnitt von Olivenbaeumen vorbei. Noch wissen wir nichts von Einladungen, geschenktem suessem Kaffe und fast innigen Begegnungen. Vergaenglich und vielleicht unvergesslich.

Das ist mein Land

Begegnungen sind temporaere, essentielle Ankerplaetze einer Reise. Manche bleiben oberflaechennah, verfliegen rasch. Anderen haengt ein geheimnisvolles Gewicht an, dass zu sensiblen, der inneren Stimme lauschenden Ebenen hinab zieht.

Wie an diesem aufsteigenden Abend, als eine leichte Kuehle den Strand ausserhalb von Zarzis erreicht. Stuermische Wellen haben dunkle Tangbaenke angeschwemmt, sie mit dem Wind zu weichen Stufen geformt und gepresst. Ueber die Joseph Beys vielleicht seine kreative Lust gelegt haette.

Omar sitzt auf einem weichen Huegel aus abgelegten Fischernetzen und an Platz fuer zwei mangelt es nicht. Neben an stehen improvisierte, niedrige Daecher aus Strandgut. Im huefttiefen Wasser schwappen Boote mit hochgeklappten Motoren. Wir gruessen uns und kommen ins Gespraech.

Bis zur lybischen Kueste sind es keine hundert Kilometer. Links unseres Platzes zeigt der Horizont die ersten Hotelstraende der Insel Djerba. Richtung Tripolis warten die Schlepper auf das anhaltende Geschaeft mit der Flucht aus Not und Krieg der Migrationsrouten. Aber auch von hier aus starten kleine Boote mit gestapelten Dieselkanistern gen Norden. Es gab Zeiten, da kursierte der Witz, mit mehr Tunesiern als Inselbewohnern koennte man Lampedusa auch an den Maghrebstaat abgeben.

Daneben der neue Kolonialismus. Fuer das Wohl Europas ist eine gut ausgebildete Elite sehr willkommen. Visa frei ist nur eine Richtung. Wer hier ohne Arbeit und gutem Einkommen lebt, setzt keinen legalen Schritt hinter die Festungsmauern im Norden.

Omar will sein Leben in Suedosttunesien nicht tauschen. Trotz seiner Sprachbegabung aus Stuttgarter Deutschkursen haelt ihn ein Sehnsuchtskern der arabischen Welt. Wo Verletzlichkeit auch Lebendigkeit ist, wo das Leben selten getaktet ist, eine kreative Gelassenheit ueberlebensnotwendig erscheint.

Und in Zeiten einer globalen Pandemie haette der grosse Universalgelehrte Abdallah ibn Sina nicht nur medizienische Beitraege geliefert. So auch eine Verknuepfung zu weitaus groesseren Problemen, zu neuen Denk und Handlungsansaetzen fuer diese gemeinsame Welt.

Wir schauen auf das Meer, teilen uns eine Handvoll Erdnuesse. Dann verabschiedet Omar sich fuer seinen Weg zur Moschee, seinen Weg nach Hause, seinem, inshallah, Dasaeinsglueck. Heisst auch : Es ist gut, wie es ist.

In einem, vor dem Aufbruch, in meine Haende gewanderten Buch findet sich der Satz : Erst das Reisen lehrt uns, dass es das nicht gibt, das Selbstverstaendliche.

Land der Berber

Als die Weite der Ebene die Blicke immer mehr anzieht, braeuchte es nur die Fluegel auszubreiten. Man wuerde ueber ein scharf gekerbtes Seitental gleiten, ueber den, mit Baeumen bestandenen Platz, vor der weiss leuchtenden Schule fliegen und auf einer mit Stuehlen und kleinen Teppichen belegten Terasse von Fathie landen. Aber wir nehmen die schroff abfallende Strasse, fuellen die Flaschen an der Dorfquelle und kurbeln zum belebten kleinen Zentrum von Toujane.

Fathie verhandelt gerade mit zwei Deutschrussinnen ueber einen groesseren Teppich. Spaeter bekommen wir Betten zwischen dem Haus seiner Eltern und dem mit eindrucksvollen Berberteppichmustern gefuellten Laden. Im Lampenlicht essen wir Fleischspiess, geduenstetes Gemuese, schluerfen suess-bitteren Schwarztee und reden ueber Bienen, das Dorf, die Familie.

Das an den Atlas sich anschmiegende Dahar-Gebirge zeigt keine Tausendergipfel, dafuer imposante, schroff abfallende Tafelberge, unterbrochen von engen Canyons und ausladenden Taelern. Mancherorts touchiert Schwefelgelb, Gischtweiss und Rostbraun die Oberflaeche. Seit Jahrtausenden ist das Dahar von Berberstaemmen besiedelt, zeigen langgestreckte Terassenfelder die Nutzung des sonst oeden Berglandes. So es mal regnet, wird hier Wasser fuer Oliven, Palmen und Gaerten gefangen. Neben dieser Lebensgrundlage entwickelte sich eine besondere Architektur der halbnomadischen Berberstaemme.

Zwischen Matmata und den suedoestlich von Tataouine gelegenen Anhoehen des Oued Zondag entstanden jahrhunderte alte Troglodyten und Ksour. Erstere sind Hoehlenwohnungen, die tonnenfoermige, metertiefe Bauten darstellen. Der Patio meist mit Brunnen und horizontal abgehenden Wohn-Koch und Vorratsraeumen. Nach draussen gibt es eine Tuer, meist mit der Hand der Fatima verziehrt. Diese Bauweise spendet gutes Raumklima, laesst einen modernen Lebensstandart aber nur teilweise zu. Die Mehrheit, vor allem der juengeren Bevoelkerung, wechselt in neu errichtete Plattenbauten. Hier ist Klimanalage Pflicht, der Komfort von Waschmaschine und Elektrokueche willkommen.

Ksar, in der Mehrzahl Ksour, ist keine eindeutige Bauform und kann eine wehrhafte Wohnburg oder ein antikes Mausoleum bezeichnen. In Suedtunesien sind damit die typischen Speicherburgen benannt. Ueber einander geschichtete Tunnelgewoelbe, mit, von aussen, halsbrecherischen Stufen versehen. Meist um einen Platz gestellt, dienten sie als Handels und Rastplaetze sowie Lager fuer vorbei ziehende Karawanen.

Das Licht des sich haeutenden Himmels und der in der Ebene aufsteigende Vulkan klopfen an den, in der Nacht windschlagenden Fensterladen. Vor den winzigen Laeden stehen leuchtende Baquettes in Plastikkoerben verteilt. Als Hauptnahrungsmittel wandern sie rasch in Kinderhaende, unter den Burnus, den traditionellen Mantel der Maenner, in die Koerbe der mit warmen Kopf und Schultertuch einkaufenden Frauen. Hinter einem bruechigen Tor wird die zweite Ziege zum schlachten gebracht. Maenner kehren Muell und Staub zu Haufen, raeumen Laeden ein oder sammeln sich zum Gespraech. Frauen tragen volle Wasserkanister an Stirnbaender in ihre Hoefe oder gehen mit wehenden Tuecher ihrem Tagewerk nach.

Ein letztes Glas suess-kraeftiger Sud aus der koechelnden Kanne, bevor am Orsschild Richtung Medenine eine leere Dose ueber den Asphalt scheppert. Ein uebertuermter LKW sich die Steigung hinauf quaelt und statt Dieselgestank den Duft frischer Strohernte um den Kopf wehen laesst.

Like Stars, not war

Vorurteile gehoeren hinterfragt. Zumal, wenn man der betreffenden Sache gegenueber kein Wissen hat. Star War-Fans werden fassungslos schauen oder genervt mit den Augen rollen. Ich stehe in Suedtunesien in einer filmreifen Landschaft, blaettere in Tatooine in einem Hefter mit abgegriffenen, alten Zeitungsartikeln und beginne mich zu interessieren.

Star Wars Schoepfer Lukas bekam von der Filmindustrie eher bescheidene Vorschussgelder. Grosse Kulissenbauten fielen also aus. So fanden sich gute Orte zum drehen in London und dem kleinen Maghrebstaat. Ein Feuerwerk der Kreativitaet ging ueber den Figuren, der Handlung, den Effekten, ueber galaktischen Spielereien auf. Inspiriert von fernoestlicher Religion und der Diktatur des Nationalsozialismus trifft Buddhismus auf Sturmtruppen, Popkultur auf Mythenwelten und klassische Geschichten.

Heldenepos, Weltraumabenteuer, Galaktische Oper. Fast 50 Jahre Star Wars haben eine anhaltende Begeisterung, ja eine neue Spiritualitaet in die Welt gesetzt.

Tunesien-ein unvollstaendiger Blick

Mitte Juli 2022 sollen die Waehler ueber eine neue Verfassung abstimmen. Ein Jahr zuvor hatte Kais Saied die Macht im letzten verbliebenen Hoffnungsland Nordafrikas uebernommen. Und siebzehn Monate Alleinherrschaft sind seine, denn erst im Dezember 2022 sind Parlamentswahlen angesetzt. Mit der Ernennung der 63jaehrigen Najla Bouden Romdhan zur ersten Regierungschefin der arabischen Welt, versucht Saied die Kritiker seines Putsches zu beruhigen.

Und Europa bangt um den aus seiner Sicht verheissungsvollen liberalen und demokratischen Musterstaat, der aus der Jasmin Revolution hervor gehen sollte. Fragt man die Menschen im Lande, geben sie sich eher gelassen und hoffen auf bessere Zeiten. Seit der Revolution hat das Land zehn Regierungen gebildet, liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 30 Prozent, ist das Standbein des Tourismus durch die Pandemie geschwaecht. Die politische Klasse entfernt sich von der Bevoelkerung, waehrend der Sicherheitsapparat, laut Amnesty International, den Menschen mit Folter, Misshandlung und Willkuerlicher Verhaftung zusetzt.

Der 34 jaehrige unabhaengige Journalist Fadil Aliriza vom Nachrichtenportal „Meshkal“ sagt in einem juengst gehaltenen Interviev, dass viele Menschenrechtsaktivisten und zivilgesellschaftlichen Organisationen sehr genau beobachten, was der Praesident tut. Und durchaus sich selbst in der Lage fuehlen ihre Stimme zu erheben. Keiner will die erkaempften Freiheiten der vergangenen 10 Jahre wieder aufgeben.

Knapp 400 km suedlich des Machtzentrums, in den Palmenoasen am Rande der Sahara, hat die Dattelernte begonnen. Weisse Zentnersaecke neben abgeschlagenen, gelb leuchtenden Rispen, an denen die weltweit ueber 1000 Dattelsorten haengen. Als Hauptexporteur hinter Aegypten, haben die Wirren der letzten Jahre auch diesen Einkommenszweig geschwaecht.

Ein Augenblick des heimatlichen Weihnachttages zieht am staubigen Ortschild von Douz vorbei. Auf der Buehne hohe raschelnde Palmenkronen, wuestengegerbte heilige Koenige auf Kamelen. Nur Maria und Josef haben sich verspaetet. Probleme an der Grenze oder einen besseren Ort gefunden. Keiner weiss etwas.

Douz liegt im Fieber des Saharafestivals. Gerade startet, nach bruellend, kreischendem Erheben, der Kamelmarathon. Und legt, ueber den, in die Wueste ausufernden riesigen Platz, eine neue Schicht gelbbraunen Staubes. Der in warmen Schlieren den Westen tuencht. Das schwere MG der Nationalgarde wird vom Dach getragen, die vergitterten Busse raeumen mit aufwirbelnden Fahnen den Platz. Die Presenz des Paramilitaers hat nichts zu bedeuten, sagt Bachtiar, einer der jungen, traditionell gekleidetetn Reiter der bunt gewuerfelten Gruppe mit Warmbluetern. In 53 Jahren Festival gab es keinen Anschlag, keine Unruhen. Eher Antiterrorvorwand gegen die aus den Medien beschworene, islamistische Gefahr aus Algeriens Wuestengebieten.

Am fruehen Abend des dritten Weihnachtstages sind die internationalen Fahnen eingeholt und Douz kehrt zu einer fuer arabische Verhaeltnisse ruhigeren Gangart zurueck. Die Cafes bleiben gut besucht, Haendler warten auf Kundschaft, Musik tropft von hohen Masten. Mopedauspuff, der Staub ausfahrender Kleinbusse mischt sich mit dem Feuerrauch der fruehabendlichen Brotstaende, treibt in die Schichten eines bald Kobaltblauen Himmels. Der beste Weg zu den scharf-pikant gefuellten Broten liegt zwischen Verkehr und hohem Gehweg oder man wechselt, je nach Angebot. Parkende Mopeds, bruechige Einfassungen staubiger Baeume, temporaere Sitzgelegenheiten, Grosspackungen Waschpulver, bunte Aufsteller, Secondhand fuer Moebel und Waschmaschinen, Kieshaufen und Zementsaecke, schicke Fliesen und glitzernde Badamaturen, sich stapelnde Ersatzteile fuer rollende Vehiekel, knackige Jeanstorso, bonbonfarben verpackte Autoreifen. In der zweiten Etage schraege Kisten fuer Zwiebel, Orange und Kartoffel, kleine Tuerme mit Teepackungen, kiloweise frisch geerntetes Brot der Wueste aus staubigen Kisten oder schoen gelegten fruchtigen Aesten in Exportkartons, leuchtende Stoffballen, selbst gebaute kleine Zapfsaeulen fuer Benzin. Ueber Kopf der meist bis Mittag verkaufte Kopf eines Kameles mit blassweiss herab haengender Speiseroehre. Mit dickem Fell belassene Laeufe und frisch gehaeutete Leiber beraubten Lebens runden die Palette. Daneben Schaufenster neuer Handymodelle, goldfunkelnder, schwer wirkender Hochzeitsschmuck, eine Galerie sich lustvoll drehender Gieskannen und Wischeimer.

Letzte Strahlen warmen Lichtes wandern der weissen Kuppel eines rechteckigen, mit Doppelspitzen verzierten Gebetsraumes zu.Der auf der nordwestlichen Ecke, des mit vielen Graeber ueber zogenen Friedhofes steht. Spitz, aufrecht stehende Steine tragen die staubigen, selten bunten Tuecher der Verstorbenen. In Bechern und Schuesseln trocknet Wasser dem Himmel entgegen. Oder gibt, so erzaehlt uns Amir, den Voegeln Labsal und den Verstorbenen einen Hauch weniger Einsamkeit. Fuenf hoch gemauerte Tore mit Holz und Blechfluegel zum Eingang umfassen das schattenlose Areal. Am westlichen Mauerlauf waechst der schlank gehaltene Neubau des dann hoechsten Minarettes, der Deshar-Moschee, von Douz empor.

Bruecke aus Kultur und Glaube

Konflikte unterschiedlicher Interessengruppen liegen in der menschlichen Natur. Und Fanatismus steckt in jeder Religion. Nichtsdestotrotz bietet das Mittelalter der Iberischen Halbinsel, mit drastischen Herrschaftswechseln grosser Reiche, eine damit einhergehende kulturelle Vielfalt grossen Ausmasses. Das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Religionen und Weltanschaungen waren beispielhaft fuer die folgenden Jahrhunderte.

So erlebten die fruehen Jahre des maurischen Spaniens eine kulturelle Bluete in Kunst, Religion und Staatswesen. Entwicklungen, die noch bis in die heutige Zeit nachwirken.

Der juedische Philosoph, Arzt und Rechtsgelehrte Moses Maimonides gilt als geistiger Wegbereiter des Mittelalters. Geboren um 1138 im andalusischen Cordoba war Ibn Maiman, so sein arabischer Name, fuer Jahrzehnte das geistige Haupt der Sephardim. Diese auf der iberischen Halbinsel lebenden Juden, liessen sich nach ihrer Flucht um 1500 in Teilen des Osmanischen Reiches, dem Maghreb und Nordeuropas nieder. Maimonides umfangreiche Ausbildung im Studium der rabbinischen Schriften, erweiterte sich im Erwerb der Kenntnisse zu Astrologie, Mathematik und Physik sowie dem Studium der Medizin.

Seine Hauptwerke finden sich in der Systematisierung des juedischen Rechtes und einem, wegen seiner Radikalitaet umstrittenen Werkes, “ Wegweiser der Verwirrten“ wieder. Mit jenen „Verwirrten“ meint Maimonides Menschen, welche welche in der juedischen Tradition verwurzelt sind, sich aber anderseit durch ein Wissen philosophischer Denkweisen in einen neuen Kontext ihres Glaubes begeben. Heute als interdisziplinaer geltend, spiegelt es einen voellig neuen geistigen Blick auf juedische Religion und philosophische Wissenschaft wieder.

Diese Horizonterweiterung rief bei orthodoxen Kraeften eine heftige Kritik hervor. Maimonides Ueberarbeitung der rabbinischen Rechtsauslegung in 14 Baenden fuehrte, auch im Zusammenhang um die Kontroverse zu seiner religioes-philosophischen Position, zum sogenannten Maimoniden-Streit. Dennoch gilt Maimonides als die Autoritaet schlechthin, auf dem Gebiet der religioes, gesetzlichen Literatur.

النزاعات بين مجموعات المصالح المختلفة هي طبيعة بشرية. والتعصب في كل دين. ومع ذلك ، فإن العصور الوسطى لشبه الجزيرة الأيبيرية ، مع تغييرات جذرية في حكم الإمبراطوريات الكبيرة ، قدمت قدرًا كبيرًا من التنوع الثقافي. كان التعايش السلمي بين الأديان المختلفة ووجهات النظر العالمية نموذجًا مثاليًا للقرون التالية.

شهدت السنوات الأولى لموريس إسبانيا ازدهارًا ثقافيًا في الفن والدين والدولة. التطورات التي لا يزال لها تأثير حتى يومنا هذا.

يعتبر الفيلسوف والطبيب والباحث القانوني اليهودي موسى موسى بن ميمون الرائد الروحي في العصور الوسطى. وُلِد ابن ميمان حوالي عام 1138 في قرطبة ، الأندلس ، واسمه العربي ، وكان الزعيم الروحي للسفارديم لعقود. استقر هؤلاء اليهود الذين يعيشون في شبه الجزيرة الأيبيرية في أجزاء من الإمبراطورية العثمانية والمغرب العربي وشمال أوروبا بعد هروبهم حوالي عام 1500. موسى بن ميمون تدريب مكثف في دراسة الكتب المقدسة الحاخامية ، وتوسع في اكتساب المعرفة في علم التنجيم والرياضيات والفيزياء وكذلك دراسة الطب.

يمكن العثور على أعماله الرئيسية في منهجة القانون اليهودي وفي عمل مثير للجدل بسبب راديكالية „دليل المشوشين“. من قبل هؤلاء „المرتبكين“ ، موسى بن ميمون يعني الأشخاص المتجذرين في التقليد اليهودي ، ولكنهم ، من ناحية أخرى ، يضعون أنفسهم في سياق جديد لعقيدتهم من خلال معرفة طرق التفكير الفلسفية. يعتبر اليوم متعدد التخصصات ، فهو يعكس وجهة نظر فكرية جديدة تمامًا للدين اليهودي والعلوم الفلسفية.

أثار توسيع الآفاق هذا انتقادات شديدة من القوى الأرثوذكسية. أدت مراجعة موسى بن ميمون للتفسير القانوني الحاخامي في 14 مجلداً ، فيما يتعلق أيضًا بالجدل حول موقفه الديني الفلسفي ، إلى ما يسمى نزاع موسى بن ميمون. ومع ذلك ، يُنظر إلى موسى بن ميمون على أنه السلطة النهائية في مجال الأدب القانوني الديني.

Heimat des Augenblick

Unter seismischer Sehnsucht

der alten Heimat entfremdet

tauch ich Muster neuer Sonnen

in fluessige Suesse

fische zitternde Streifen des Osten

aus naechtlichen Pfuetzen

will zur Hingabe der hellen Orte

das Glueck des Uebersehen werdens legen

will den Flug der Worte

dem Ruf der Glocken

alle Himmel

geben.

Cordoba , Dezember 2021