Land der Berber

Als die Weite der Ebene die Blicke immer mehr anzieht, braeuchte es nur die Fluegel auszubreiten. Man wuerde ueber ein scharf gekerbtes Seitental gleiten, ueber den, mit Baeumen bestandenen Platz, vor der weiss leuchtenden Schule fliegen und auf einer mit Stuehlen und kleinen Teppichen belegten Terasse von Fathie landen. Aber wir nehmen die schroff abfallende Strasse, fuellen die Flaschen an der Dorfquelle und kurbeln zum belebten kleinen Zentrum von Toujane.

Fathie verhandelt gerade mit zwei Deutschrussinnen ueber einen groesseren Teppich. Spaeter bekommen wir Betten zwischen dem Haus seiner Eltern und dem mit eindrucksvollen Berberteppichmustern gefuellten Laden. Im Lampenlicht essen wir Fleischspiess, geduenstetes Gemuese, schluerfen suess-bitteren Schwarztee und reden ueber Bienen, das Dorf, die Familie.

Das an den Atlas sich anschmiegende Dahar-Gebirge zeigt keine Tausendergipfel, dafuer imposante, schroff abfallende Tafelberge, unterbrochen von engen Canyons und ausladenden Taelern. Mancherorts touchiert Schwefelgelb, Gischtweiss und Rostbraun die Oberflaeche. Seit Jahrtausenden ist das Dahar von Berberstaemmen besiedelt, zeigen langgestreckte Terassenfelder die Nutzung des sonst oeden Berglandes. So es mal regnet, wird hier Wasser fuer Oliven, Palmen und Gaerten gefangen. Neben dieser Lebensgrundlage entwickelte sich eine besondere Architektur der halbnomadischen Berberstaemme.

Zwischen Matmata und den suedoestlich von Tataouine gelegenen Anhoehen des Oued Zondag entstanden jahrhunderte alte Troglodyten und Ksour. Erstere sind Hoehlenwohnungen, die tonnenfoermige, metertiefe Bauten darstellen. Der Patio meist mit Brunnen und horizontal abgehenden Wohn-Koch und Vorratsraeumen. Nach draussen gibt es eine Tuer, meist mit der Hand der Fatima verziehrt. Diese Bauweise spendet gutes Raumklima, laesst einen modernen Lebensstandart aber nur teilweise zu. Die Mehrheit, vor allem der juengeren Bevoelkerung, wechselt in neu errichtete Plattenbauten. Hier ist Klimanalage Pflicht, der Komfort von Waschmaschine und Elektrokueche willkommen.

Ksar, in der Mehrzahl Ksour, ist keine eindeutige Bauform und kann eine wehrhafte Wohnburg oder ein antikes Mausoleum bezeichnen. In Suedtunesien sind damit die typischen Speicherburgen benannt. Ueber einander geschichtete Tunnelgewoelbe, mit, von aussen, halsbrecherischen Stufen versehen. Meist um einen Platz gestellt, dienten sie als Handels und Rastplaetze sowie Lager fuer vorbei ziehende Karawanen.

Das Licht des sich haeutenden Himmels und der in der Ebene aufsteigende Vulkan klopfen an den, in der Nacht windschlagenden Fensterladen. Vor den winzigen Laeden stehen leuchtende Baquettes in Plastikkoerben verteilt. Als Hauptnahrungsmittel wandern sie rasch in Kinderhaende, unter den Burnus, den traditionellen Mantel der Maenner, in die Koerbe der mit warmen Kopf und Schultertuch einkaufenden Frauen. Hinter einem bruechigen Tor wird die zweite Ziege zum schlachten gebracht. Maenner kehren Muell und Staub zu Haufen, raeumen Laeden ein oder sammeln sich zum Gespraech. Frauen tragen volle Wasserkanister an Stirnbaender in ihre Hoefe oder gehen mit wehenden Tuecher ihrem Tagewerk nach.

Ein letztes Glas suess-kraeftiger Sud aus der koechelnden Kanne, bevor am Orsschild Richtung Medenine eine leere Dose ueber den Asphalt scheppert. Ein uebertuermter LKW sich die Steigung hinauf quaelt und statt Dieselgestank den Duft frischer Strohernte um den Kopf wehen laesst.