Le monde, amer et doux …. oh, bitter süßer Weltenstaub

ES SIND DIE TAGE ……

 

 

                                        ……. in denen die Illusion im Staub von Angst und Chaos erblindet,

Schatten eines flammenden Menetekel erscheinen, smarten Globalisierern das applaudieren, für Augenblicke,

in den Händen gefriert.  Wo Klagelieder vor Mauern der Abschottung ertönen.

Eben noch wurden Paradiese mit Patentrechten, abschreckenden Flüchtlingslagern und fragwürdigen

Partnern zementiert.

Der Westen scheint bis heute nicht den Umgang mit anderem Denken, anderen Wertesystemen gelernt,

seine Schablonen von fremden Welten entfernt zu haben. Beweint nun eher sein Versagen, als Ansätze 

einer zukunfstauglichen, auch sich selbst hinter fragend, Perspektive zu haben.

Es braucht ein neues Denken, ernsthafte Versuche des Verstehen, Ehrlichkeit im Umgang mit Fehlern und 

Akzeptanz im Rahmen der Menschlichkeit.

Wer Gedanken und achtlos hinnimmt, dass Menschen in den Auswirkungen von Armut und

Perspektivlosigkeit leben müssen, wird und muss zunehmend in Angst um seine Reichtümer und

ungerechten Vorteile leben. Sollte wissen, dass diese Angst bis in die kleinen Zellen der Gesellschaft kriecht

und dort, vielleicht auf Generationen hin, nicht wieder gut zu machende Spuren hinterlässt.

Ich lasse mich wiegen vom Rauschen der Bäume

Dahinein sticken die Vögel ihr tönendes Geschmeide

Der Ostwind hält den Sommer jung

Wir atmen reich, als flögen wir.

Martin Walsee

 

Wir ahnen den Schmerz, die Schönheit, die Brutalität der Welt, die bald über den Haufen geworfenen

Maßstäbe, das Nicht-verstehen-der-Dinge, das Nie-richtig-ankommen, ahnen Erwartung, Ungeduld,

Enttäuschung, wissen um das Unaufgeräumte, Improvisierte, Herzliche.

Wollen mit der Fremdheit von Worten und Wegen unterwegs sein, wollen die Zeit spüren, die mit dem 

Sand durch unsere Hände rinnt.

                                                                                                                     Mitte August  2021

                                                                                                                      Thomas und Carmen

 

Weisses Lied

 

 

Gekommen mit kosmischer Fähre

einer Schale voll Sternen

über sandigen Teppichen

im Gesang gekrümmter Äste

getragen von Blättern der Ufer Flüsse

dem Klang tönender Steine,

hebt der Geist

die wache Stirn

über das ungeschriebene Lied der Ahnen,

die Füße im träumenden Raum 

sich umarmender Pfade.

 

Am Rand der Zeit – Notizen aus Portugal

 

 

Hinter dem Fluß

der still demütig herab

duckt sich Schindel, flacher Giebel

über fleckig rauen Mauern

liegt der Atem des Meeres

auf feuchtem Treppensprung

auf flatternden Dächern kleiner Cafes

mit Fetzen kehligem Lachens,

ein Ruf, schlagendes Blech

ein Auto vorbei

an halboffenen Türen,

dahinter Sonntagswäsche

träumend von Wolkenzirren

von blauen hohen Segeln

und lauschend den schwarzen Schnüren

mit zitternden Perlen im Wind

des langsam sinkenden Süden.

 

 

In Schubladen des Todes

leuchtet der Mittag,

ein duftendes Rauschen

im Nacken schwarzer Haare Fest.

 

 

An den Rändern der Stadt wohnen rebellische Engel

in Gras durchbrochenen Häusern

balancieren über Scherben neu keimender Sehnsucht,

träumen ferne Weiten,

von Sand der sich an Brunnen lehnt

und werfen, monden Boote steuernd,

Netze in den Schlick des Zeiten Strom.

 

 

Entzündet die Fackeln des Todes,

der Zerstörer hebt seinen Schatten

über das fliehende Volk

haucht Erlösung

die über alle Äcker weht

dehnt die Stille letzter Augenblicke

spürt seinen leichten Atem des Vergänglichen

wie ein großes Verschlingen

stürzender Flügel

im letzten Dämmerschein

der taufeucht eine Hirschkuh schmückt.

Auch Wälder ahnend

treibt der Wind

auf Kämmen hoher Wellen weiß

Leben hebend

an neue Ufer,

Atemschaum.

 

 

 

Hrdlicka in Wien

 

Der Straßewischende Jude ,  Wien,  Erster Bezirk

Heißes Stiefelpflaster reißt am Mantel

Kälte spaltet die Sinne

der Rest Leben schläft auf Matratzen des Todes,

der Lippen zu Schlacke küsst,

die Asche ins Wasser der Lebenden mischt.

Stöhnen ruft die Geister der Heimat,

dich zu suchen in Nächten,

unter Regen gestillten Mauern,

in deren Fenster die Totenjäger,

ihren Mantel vom Bügel nehmen,

darunter Sohlen

schwarz und schwer.

Fern der Horizont,

wie Schorf erkalteter Wunden.

 

In den Zeiten

 

 

Er war wie ein Freund. Zuwewand leuchtende Augen. Bescheiden dankbarer Blick inmitten von Verehrung und Prunk. Schlichtes Gewand über aufrechtem Gang. Ein rotes Kreuz scheint ihm ins Haar geflochten.

Den Jesus Georgiens ließen wir zurück und fanden ein vertrautes und doch weniger zugängliches Schmerzensbild. Nägel im Kreuz. Verlöschender Blick unter wallendem Haar. Getrockneter Lebenssaft. Vielleicht sind einige unserer Brüder und Schwestern deshalb so nah ans Leiden gebaut. Auch ein heißer Sommer geht vorbei, der in anderen Regionen mit Hunderten Sonnen mehr und über Monate hinweg vom Himmel fällt. Vielleicht sollten wir die Zeichen achten, die Zutaten unseres Lebens nicht als Selbstverständlichkeit schöpfen. Identität und das Sein beftagen.

 

 

Auf die ukrainischen Linden- und Birkenufer, die Walnussalleen folgt eine stille, fast acharische Hügellandschaft. Moldawische Dörfer mit teils vernagelten Häusern und rostigen Ketten an erfrischenden Ziehbrunnen. Staubfahnen kleben an Schotterstrassen, goldene Kränze begleiten den glühenden Zenit, ein schwacher Brandgeruch liegt über angeschwärzten Weizenstoppeln. Nachmittage lehnen an schiefen Zäunen, Felder verlaufen sich im Himmel. Und Sprachen mischen sich im Zankapfel zwischen Rumänien und Russland.

 

 

Erst seit 1989 dürfen die viereinhalb Millionen Einwohner ihre rumänische Muttersprache wieder in lateinischen statt in kyrillischen Buchstaben schreiben. Die Autorin und Dramaturgin Nicoleta Esinencu, Jahrgang 1978, bezeichnet sich ironisch als „Enkelin Lenins“. Nicoleta Esinencu:

„Die Moldawier wissen nicht recht, welcher Nation sie angehören, die Geschichte verlief recht bizarr. Deshalb handelt es sich wirklich um eine Identitätskrise. Die Leute wissen nicht, ob sie Moldauer, Rumänen, Russen oder sonst was sind. Sie stellen sich diese Frage oft, vielleicht zu oft.“

 

 

Vom Ende wieder

vorne erstreckt sich der Weg
wie eine Buchseite
vom einen Ende her verbrannt

ich bin gefangen in einem Ghetto und kann nur mit
bis zum Bus
danach lauf ich im Kreis
in meiner Stadt
denke an meinen Käfig
und an dich

mein Herz ist zerrissen
im Schlaf schläft der Atem ein
die Hunde reißen an meiner Lunge
und ich denke über ihre Rettung nach

wo eigentlich alles ganz einfach ist
irgendwo dort sind meine Träume eingestürzt
irgendwo riss der Faden
du kehrst dorthin zurück
wo ich nicht
über die Grenze darf
und die einzige Reaktion die
ich haben kann

ist wie gewohnt zu kotzen
wenn ich dich zum Bus begleite
vor sich den vom einen Ende her verbrannten
Weg

Moldawischer Dichter Alexandru Vakulovski Jahrgang 1976

 

 

Für uns liegt sommerliches Glück eines sich langsam abkühlenden Tages auf offenem Feld. Drumherum die schlichte, herzliche Festlichkeit sich neu begegnender Menschen. Ein geben und nehmen, ein sich erzählen. Und die Nacht spart nicht an Sternen, deren Stunden keiner zählen mag.

 

 

 

Bitterkeit

«Auf nichts / mehr wartend, werfe / ich die Mütze // ins gefrorene Kiesbett, zum / Schädel des Schafbocks, in dem / der Kiebitz nistet»

 

Nebel

Bei diesem Nebel kann man bloß
froh sein, daß man keine Flügel hat,
also

auch nicht kollidieren könnte
mit etwas, das gerade abgestellt wird im Museum

der Illusionen. Man hört zwar
Stimmen, irgendwo oben, aber man kann
nichts sehen, mit dem man

kollidieren könnte,
weil man ja keine Flügel hat.

 

21 Uhr 39 Gedicht

Wer eine Überraschung
erwartet, muß schon unter
falschem Namen auftauchen.
Die Polizei, die Göttin
der Liebe, regelt

das Gesetz der Nachfrage
und des Angebots. Das Glück
öffnet die Schenkel
wie nach einem Gebet,

im Namen des Turnschuhs,
des Benzinpreises und des
heiligen Oleanders. Daß es
in der Ewigkeit keine

Sonnenblumen gibt, keine
Öffentlichkeit, keine Hotelgeschichten,
keinen Aufschwung, keinen
Niedergang, verdüstert
die Perspektive. Deshalb

bemalen wir akribisch
mit bunten Szenen den Sarg, in dem
wir liegen werden.

 

Franz Hodjak, rumänisch geborener, deutscher Dichter, Jahrgang 1944

 

 

Im siebenbürgischen Sibiu und dem zentralrumänischen Cluj-Napoca fallen uns zwei Bücher in die Hand. Das zum Kult erklärte Erstlingswerk des alten Schreibbarden Cees Nooteboom, der die Wurzeln in Europas Kunst und Kultur auslotet und seine Fühler bis in den windgetriebenen Sand Patagoniens stellt. Der in „Philip und die anderen“ den wunderlichen Onkel Antonin Alexander sagen lässt: „Wir sind missratene Götter, wir sind geboren um Götter zu werden und zugleich um zu sterben, das ist verrückt….wir bleiben immer irgendwo stecken“. Dessen Protagonist auf der Suche nach einem traumhaften chinesischen Mädchen quer durch Europa trampt. Orte und Begegnungen werden zur Schule des Lebens. Und ab und an ein kleines Fest, die wie Blumen auf dem Roman schwimmen

 

 

Das zweite Buch ist gefüllt mit einer subtilen Sprache, einer dicht gehängten Bilderfolge. In welcher Hertha Müller, ohne Anklage, die perfiden Struckturen einer, daß Innere aushöhlenden, Diktatur aufzeigt. Wo einem der Atem stockt. Das Grün der Hoffnung im Rücken steckt.

„Die Decke liegt auf dem Dach des Wohnblocks, um das Dach stehen Pappeln. Sie sind höher als alle Dächer der Stadt, sind grünbehängt,sie tragen keine einzelnen Blätter, nur Laub. Sie rascheln nicht, sie rauschen.Das Laub steht senkrecht an den Pappeln wie die Äste, man sieht das Holz nicht. Und wo nichts mehr hinreicht, zerschneiden die Pappeln die heiße Luft. Die Pappeln sind grüne Messer“  aus Der Fuchs war damals schon der Jäger.

 

 

In einer von ungarischen und ukrainischen Einflüssen geprägten rumänischen Nordwestregion namens Maramures stehen Bleistiftspitze, ehrwürdig verwitterte Holzkirchen und fette Heuschober. Als hätte der Herrgott große Kreisel auf gelb borstigem Feld abgelegt. Die Nachfahren indischer Nomaden, heute die größte Minderheit Europas, meist diskriminiert und benachteiligt, lebt Ursprünglichkeit zwischen offenen Türen und bunter Wäsche auf dem Zaun. Eine Lebensweise, die nicht mehr ins langsam um sich greifende Schaffe-und Anhäufungsbild passt.

 

 

Als wir über die Zempiner Berge vom ungarischen ins slowakische wechseln, wird im tadjikischen Pamir eine kleine Gruppe Weitreiseradler brutal und gezielt attakiert. Tote, Verletze, Traumata. Die Hintergründe sprechen für Handlanger des IS. Wir sind bestüzt und verwirrt, angesichts solch sinnloser und abscheulicher Taten. In einer Zeit der Trauer laufen wir an Minuten vorbei, die uns beschenkten statt Unheil zu sähen.

 

 

Auf den Flügeln der Vögel die Freiheit, in den Flußpappeln gegenüber rauschen Johannes Bobrowskies Worte : “ Alles auf Hoffnung. Mehr ist nicht zu sagen „.

 

 

 

 

Jesus im Apfelbaum

Ein sommer trommelt in den zweigen/die taschen voll grüner scherben und der hoffnung auf erlösung/wie die mülltonne/das fliegengitter/die sonne auf dem mittagstisch/leckt von staubigen tellern/ die schatten trockener tränen/ und das kopftuch/wie reifer holunder/fällt nicht weit vom kreuz/dem der herr ein schirm ist/der sich/im davon gehen/ wolken in die ohren stopft/da stirbt der tag/mit brennenden girlanden/knistern wälder/schreien wiesen/tanzt/heilig heilig/sternenzelophan.

Rumänien/Dorf/Mitte Juli

 

Roter Stern Transnistien

 

Gruener Schatten schiebt lichte Inseln ueber das abfallende Ufer. Gegenueber bricht die Sonne mit aller Macht in die sich wiegend, rauschende Mauer am Dnjester-Fluss. Im Ruecken bremst ein Fahrrad. Wladimir, unsere Bekanntschaft, erfolgreicher Angler von gestern Abend und gut von russischem Pop lebender Keyborder, wuenscht < Guten Morgen > und schenkt uns zwei Trockenfische. Er will fuer ein paar Stunden ins nahe Tiraspol, der Hauptstadt Transnistiens, dann zurueck auf die Datscha, wo er den Sommer ueber lebt.

 

 

Transnistien?  Koennte auch eine fahrende Polkaband aus der Walachei sein. Ist aber ein Separatistenstaat, entstanden im Zerfall der Sowjetunion ab 1990. Und erst am Fenster des Geldwechslers realisieren wir, in ein bis dato unbekanntes Land zu reisen. In den Zeiten der Abspaltung machten sich sowohl in Moldavien als auch in Transnistien nationale, reaktionaere Kraefte frei. Moldavien , das alte Bessarabien, Richtung Rumaenien, auch aus sprachlichen und kulturellen Gruenden. Transnistien zu Russland, das den Freund mit billigen Gaslieferungen und verkneupftem Geldverkehr willkommen heist.

Nach einem kurzen Grenzkrieg von 1992, bei dem ueber 500 Opfer zu beklagen waren, gilt der jetzige Status als < eingefrorener Konflikt >. Zur Glueck beschraenkt sich der Machtanspruch nur auf den Bildungssektor, wo im jeweiligen Land um lateinische oder Kyrillische Schreibweise gefochten wird. Angeblich stehen russische Truppen auf Transnistischem Gebiet. Das wird verneint oder als Friedenstruppe benannt. Sicher ist nur die dem Kleinstaat eigene Verwaltung, Armee, Eisenbahn. Praesident und Transnistischen Rubel nicht zu vergessen.

Die Hauptstadt kommt modern, mit breit-sozialistischen Schneissen, ueber welche eine alte Oberleitungsbusflotte zuckelnd die Teile der Stadt verbindet. Ab und an ein gelbleuchtendes Exemplar, das sich wie ein exotisches Insekt einreiht. Auf den schachbrettartig gelegten Strassen treffen sich Marx, Liebknecht, Luxembourg, Lenin und Gagarin. Zebrastreifen halten auch schnelle Autos fuer das Fussvolk auf. Im Buchladen, der nur eine Wandkarte des Landes anbietet, haengt   Praesident Krasnoselski, neben Portraits von Putin und Stalin. Draussen Schaufenster fuer Geld, Klamotten, Moebel und die wie wuchernde Gewaechse scheinenden Apotheken.

Uebers Eck die Palaeste des Volkes. Die Republik, die Kultur, die Pioniere. Daneben der Sheriff-Konzern, dem Supermaerkte, Tankstellen, eine Baugesellschaft, Teile der Informationsmedien und das Monopol im Mobilfunk gehoeren. Und es braucht wenig Fantasie um zu wissen, welcher Name ueber dem Stadiumkomplex am Rande der Stadt prangt.

 

 

Wie  Ameisengewusel wirkt das Treiben auf dem Marktareal. Im Zentrum lange, gruene Brettertische mit Kisten voll frischer Ware aus Gaerten und von den nahen Feldern. Am Kwas-Stand von Irina, die ein Getraenk aus vergohrenem Roggenbrot, aus einem Kanariengelben Tankwagen, ausschenkt, bekommen wir statt des Scheines, ein Plast-Einrubel-Stueck zurueck.

Fast erholt geht der Tag in seine letzte Runde und die Uferpromenade des Dnjester lockt. Auf kleinen Ausflugdampfern laeuft zu Bier, Limo und Snacks eine Mischung aus Russenpop und 17 Hippis. Angler kennen ihre guten Plaetze. Uns sonst: Tauben fuettern, Sonnenbrille im Haar, Hundeleine, pinke Rastas, gestaerkte Bluse, Thermoskanne, bunte Roller, Balladengitarre, Enkelstolz. In Sichtweite der gut besuchten Half Pipe, klettern Kinder auf ein Panzerdenkmal. Irgendwan ist der letzte Kwas getrunken und ein Blassgelb gestreifter Rollladen faellt schaeppernd ins Schloss.

Vor dem Parlament wehen zwei Fahnen in trauter Hoehe und Lenin hat seinen Mantel wie einen Fluegel in den Abendwind gehaengt. Die Nacht ist bereit, die Welt dreht eine neue Runde…..

ОДЕССА

 

 

ODESSA

 

Schwarze Anker, weisse Tauben

Farben einer auf lustvollen Schultern getragenen Stadt.

Mondaene Bluete, die saugt am Schwamm

einer ufernden Geschichte,

den Bruesten der Kuenste, schoen

dem Geist von Heilig und Profan.

Spaziert durch die Traeume glaenzender, Gischt gebuersteter Pflaster,

erwacht in Sommerroecken, geht gelassen

am schlurfen abgetretener Schuhe vorbei,

springt von bruechigen Molen,

waehrend die Sonne ueber breite, grau gelegte Stufen hinauf

schlafende Hunde weckt,

ueber Schewtschenkos Maehne kaemmt,

die Plaetze sich spreizender Strassen erstuermt.

Hier die Mauern gebuendelter Haeuser,

die ein breiter, gruener Schatten umspringt

und von Ferne das quietschen der Krane,

die Bergen Kisten voll

vergossener Traenen

des Heimweh.

 

 

 

 

 

Letzte Feuer Asiens

 

 

In den Wasserlachen der Autowaesche baden sich breit plusternde Tauben, an Strassenecken wird Obst auf Tische geschuettet, Kaese liegt im Heck aufgeklappter Kombis. Drumherum, teils nur halbfertige, uniforme, wohngepresste Hochhaeuser. Drunter, kaum halb so hoch, ihre alten Schwestern. Verlebte, Zettel beklebte Eingaenge, wild gespannte Waesche, Balkone zwischen Abstellkammer, Baustelle und minimalistischer Idylle. Kinder erkunden ihren sich weitenden Radius, vor kleinen Laeden stehennKuehltruhen mit Eis, Pelmeni, Wasser, Bier und Limonade. An zusammen gestellten Baenken trifft man sich des Abends. Mal laut, mal leise und lebt vom fruchtbaren Boden des einfachen Lebens. Darueber hat die alte Hafenstadt Batumi ein Baufeuerwerk zwischen Fantasie und Gigantomanie gelegt, das belebende, ja fast symbiotische Bilder schafft.

Auf der langen Uferpromenade treffen wir Roman aus Kirgistan. Er fuehrt Touren in die Berge des nahen Nationalpark und die Familie, mit zwei Maedchen, lebt seit fast drei Jahren in der Stadt. Trotzdem bleibt Gregorisch eine Fremdsprache fuer sie. Kirgisisch fuer die Heimat, Russisch im Alltaeglichen, fuer die Schule von Tschufon und Djamila. Bei ihnen koennen wir schlafen und zerbeissen letzte Wuerfelzuckerecken, in Schwarztee getaucht, unter dem schlanken Minarett der kleinen Altstadt. Ein paar Kopftuecher und Schneeweisse lange Hemden entschwinden zu Gruen ueberdachten Plaetzen.

Fast entrueckt, auf Daecher Hoehe, eine schlanke, aufrechte Medea, in derem Goldenen Fliess sich der Glanz von Buddhas und Ikonen wieder findet. Vielleicht, im Tau ihrer Augen, das Blau vielmals unrundeter Moscheen.

Spaet liegt ein Melonenmond im offenen Fenster des Schwarzen Meeres und die Nacht beginnt, aus dunklen Pfuetzen zu trinken. Morgens streichelt ein Wind die Haut und treibt grosse Moeven ins schwirren eines Mauerseglerhimmels. Und zu Bildern von Weite und Erinnerung ahnen wir, in Odessa wartet nicht nur ein Sommer.

 

Grigoris Land

 

 

Grigori traegt leichtes Gepaeck und Besonderes. Rucksack mit Schlafmatte obenauf, in den Haenden einen grossen goldenen Rahmen, am sich woelbenden Bauch lehnt das Bild der Heiligen Nino. Sie, eine Syrerin, die aus roemischer Gefangenschaft zu Fuss nach Iberien gelangte, leitete die Bekehrung der Georgier zum Christentum ein. Als Missionarin trug sie meist ein Weinrebenkreuz bei sich, dass vom Eigenhaar zusammen gehalten wurde. Um ihr Wirken als Heilerin begannen sich bald Legenden zu ranken. So rief die kranke Gattin von Koenig Mirian, Nino zu sich. Mit dem Wunder ihrer Heilung, nahm Nana den Glauben an Jesus Christus an. Wenig spaeter verirrte sich Koenig Mirian auf der Jagd in drohender Nacht. Fast aussichtslos suchend, rief er in grosser Not Ninos Gott an und ward auf sichere Wege gelenkt. Aus Dankbarkeit und Ehrfurcht vor dem maechtigen Gott, liess er im Jahre 337 das Christentum zur Staatsreligion erklaeren und bat Kaiser Konstantin I um Entsendung von Missionaren. Nino, die die Orthodoxe Georgische Kirche den Aposteln gleichstellt, traegt den erwuerdigen Titel Erleuchterin Georgiens. Ihr Weinrebenkreuz ist ueber das ganze land verteilt und mutet wie ein gefluegeltes Kreuz an.

 

 

 

 

Als wir Grigori, nun wiederholt, an einer mit Hohlblocksteinen vermauerten alten Kirche treffen, kommen wir ins Gespraech. Er ist als Geschichtslehrer in Tbilisi taetig und hat die 50 knapp ueberschritten. Von seiner Schule aus, schaut er hinauf zur Sameba- Kirche, die wie ein in die Erde gerammter Fels, von weiten Wandelterassen umgeben ist und der Stadt eine goldene Krone aufsetzt. Im Innere ein hoher, kunstvoll ausgemalter Raum ueber dem Allerheiligsten der Ikonostase. Da scheint ein milde, fast scheu blickender Jesus, mit dem allgegenwaertigen Gregorkreuz, ueber den versammelten Juegern zu schweben. Im weitlaeufigen, ueber wenige, von Bettlern gesaeumte Stufen erreichbaren Raum wandeln die Glaeubigen. Beruehren, kuessen, halten vor den manigfach, meist leuchtenden Bildern der Heiligen inne. Entzuenden gekaufte Kerzen, lauschen Worten, dem schwebenden Gesang. Abends kratzen Frauen mit scharfer Klinge, das Tropfwachs vom hell gefliessten Boden.

 

 

Fast schaebig mutet der Ausgang durch das Tor auf die Nigoti-Ulica an und trennt Heilig von Profan. Die Haeuser der Strassen und Gassen, scheint ein Erdbeben heimgesucht zu haben. Grosse Risse, halbzerstoert, notduerftige Stuetzen aus Holz und Metall. Doch wie wir hoeren, alles ein kaum zu bremsender Verfall von schlechter Bausubstanz. Viele Ecken und Hoefe tragen den Charme <des sich eingerichtet haben>. Blassfarbene Balkone, verrostete Aussentreppen, Weinranken, aufgespannte Waesche, spielende Kinder. Eine Meile mit kleinen Laeden. Fruechte, Shoti-Baeckerei,Ikonen,Kaese,Taschen voll selbst gemachtem Joghurt, frischer Dill und Knoblauch. Hin und wieder rollt ein Berg Melonen heran.

 

 

Am Gehsteig die errichteten Kistenstaende meist alter Leute. Hier liegen Tuetchen mit Sonnenblumenkernen und Nuessen, Cigaretten, Hoelzer, Taschentuecher, Suesskram. Ein letztes Gruen umwuchertes Haus, schmale, teils weggebrochene Stufen unter bluehenden Linden. Kopfsteinpflaster, ein Kreisverkehr, unter einem Reiterdenkmal die Bruecke ueber den Mtkvari-Fluss. Andern Ufers, in sich ruhend, wie ein Gegenstueck zur felsigen Schwester, erscheint die Sioni-Kathedrale am Fusse der Altstadt. Betritt man das rechteckige, aeusserlich schlichte Haus, tauchen die Augen in Vorstufen von Dunkelheit. Nur langsam sickert die Decken -und Wandbemalung aus stumpfem Gold, Pariserblau und Wellen lichtem Meer ins warme Kerzengelb, in die ausgewogene Fuelle des Raumes.

 

 

Das spaerliche Kuppellicht legt eine Art Schleier ueber die dunklen, mit Silberbaendern verzierten, Tueren der Ikonostase. Wie kleine Kastagnetten schlagen die Schellen an den von Priestern geschwungenen Weihrauchgefaessen. Vor der hohen, offen Tuer verharren die Menschen. Wenden sich hin, bekreutzigen, verneigen sich. Zeigen Naehe und Verbundenheit ihres christlichen Glaubens

 

Wie auch Grigori, mit dem wir in den lichten Mittagsschatten gewechselt sind und eine Handvoll iranischer Datteln geteilt haben. Fuer die folgenden 60 Kilometer haben wie den gleichen Weg. Hin zum St. Nino Nonnenkloster in Poka. In Tsalka, wo es grosse Kuh- und Schafherden, von berittenen Reitern flankiert, aus den Bergen spuelt,will er einen Ruhetag einlegen. Derweil ziehen wir weiter und ringen mit den Hoehenmetern des 2200 Meter gelegenen Tukmashi-Pass.

 

 

In einer der ersten Serpentinen stehen die Sommerjurten von Sara und Ligur. Vier Generationen leben hier von April bis September als Halbnomaden, verarbeiten die Milch der Tiere, betreuen die ihnen ueberlassenen Herden. An zwei festgebundenen, laut bellenden Hunden vorbei werden wir zum Tee geladen. Unter einem mit farbigen Plasteplanen bespannten Metallgestell finden zwei Betten mit Decken und Kleidung , Truhe, Tisch und Hocker, eine Kuechenecke Platz. Licht faellt durch die Tuer und ein kleines Fenster auf die fest getretene Grasnarbe. An Faeden aufgehaengte Kisten dienen als Regale. Ein Solarpanel speist das abendliche Leben.

 

 

Kurz vor dem Pass streift uns ein Gewitter, dass im Blick zurueck wie ein riesiger Tintenfleck ueber dem Tsalka-See haengt. In mehren Akten spielt der Himmel mit Farben, Licht und Duesternis ueber das Bild der Landschaft hinweg. Angesichts einer kalten und feuchten Nacht, suchen wir eine feste Bleibe in Poka. Fragen im Dorf herum, wobei uns die Nonnen des Konvent die geringste Hilfe sind, Fast Nacht ist es, als uns der Ladenbesitzer Derwo, das Haus seiner verstorbenen Eltern aufschliest. Morgens darauf trocknen die klammen Traueme in gleisender Sonne. Taureiche Wiesenmatten, ein Storchenpaar nistet, Altschnee weigert sich die Berge zu verlassen.

 

 

Nach und nach sammeln die Tageshirten ihre Tiere zusammen und ziehen ins scheinbar unendliche Land von Weiden und Bergen. Als wir mit gepackten Taschen ueber die Strasse der Ausfahrt zurollen, schaut das halbe Dorf von den Grabsteinen des Friedhofes herueber. Dungplatten, zu Mauern und Pyramiden gestapelt, geben dem Fahrtwind eine wuerzige Note mit.

 

 

Nun begleiten sich Fluss und Leben, ist das meandern des hier aus dem gleichnamigen See entspringenden Paravani, wie ein zoegerlich, langsamer Abschied von Wolken streichelnden Bergen. Spater ein Canyon und der Einschnitt des Varzia-Tales. Hier kommt der Mtkvarifluss, wilder und groesser, nimmt sich den Bruder an die Seite. Erzaehlt Geschichten aus tuerkischen Landen, wo sie ihn Kura nennen und von Jahrhunderten einer in Schwindel erregenden Hoehe erbauten Felsenstadt.

 

 

Dann ein springen von Tal zu Tal, von schmalem aufschaeumenden zu breiter, sanft ansteigender Weite. Und drehen des westlichen Laufes ueber Norden auf Osten. Ein stroemen ruheloser Tage, durchwachter Naechte, der Ufer Reise Zwiegespraech. Und einfallen in Ebenen die sich nennen Shida Kartli, Kvernaki, Tslevi , gelenkt durch die Enge grosser Staedte und spaeter sich teilend, fuer Steppen mit Minaretten.

 

 

In einer von Tbilisis Gassen steht Grigori am offenen Fenster. Sein Blick ruht auf dem Bild der Felsenkirche und dabei spuert den Zeiten stiller Augenblicke, den Schritten einer Reise nach.