Es ist der letzte Tag des Trauerjahres. In Bangkoks Wat Pho Sin nehmen die Menschen noch einmal Abschied von ihrem Koenig Bhumipol Rama IX. Mit Bildern einer seiner letzten religioesen Zeremonien verlassen sie die weiss gefassten, mit Rot und Goldfarben, praechtig erhobenen und verzierten Torboegen. Hinter abgestreiften Schuhen, immer neu gesteckte Weihrauchhalme, aufplatzender Lotus, vor der Brust gefaltete Haende, Stufen ins Reine, dem ewigen Kreislauf enstiegene, Sein.
Erlebt man die Thai, ist vielen eine innige Naehe zum Koenig und seiner Familie ins Herz gepflanzt. Ihre Gelassenheit schaut ueber Kritik hinweg, zumal auf Majestaetsbeleidigung und sei es die Beschmutzung eines Bildes, hohe Strafen lauern.
Kostbar wiegen die Toene des Gruen, in einer Symphonie fruchtbarer Ebene, gespeist von einer Zeit des Regen, der grau gestopften Himmel vergangener Wochen. Noch treiben Bangkoks grau-bitterer Dunst und schmutzige Gischt, das Leben zwischen glitschigem Ufer und schwindeliger Hoehe, das Licht bunter, eng gestellter Gassen, der im Viertel versteckte Ruf des Muezzin, die glitzernde Glaubenswelt sanft geoeffneter Buddhaaugen, Lotusblueten auf traeumenden Fluessen, der morgentliche Geruch von Raeucherwerk und Garkueche, durch das Nachklingen der Sinne.
Doch Schienentam-tam nimmt uns mit, Wind im Haar offener Fenster, die Fluegelweite von Scharen Stoerchen und Silberreiher. Wasserspiegel gestelzter Haeuser, geflutete Felder Milliarden Koerner Reis, Stupas stumpf-bruechigen Backsteins alter Thaikoenigreiche. Kuehl zuckt das Licht des Mondes uebers Verloeschen eines sich nur langsam abkuehlenden , raschen Abend.
Es ist das zwoelfte, naechtliche Rund im Jahre 2560 der buddhistischen Zeitrechnung, beginnend mit dem Tode Siddharthas. Daneben laeuft der thail. Sonnenkalender, der, an den gregorianischen Kalender gelehnt, einen Teil der schwer durch schaubaren Fuelle von Zeitrechnungen im asiatischen Raum darstellt.
In den duesteren, kleinen Strassen von Pitsanulok mischt sich das Blut eben geschlachteter , kapitaler Welse mit Wasser und schwappt, als Rinnsal endent, ueber den Bottichrand. Ein paar Ratten huschen und verschwinden unter grau gemusterten Gehsteigplatten. Klebriger Geruch liegt wie Sirup in der Luft. Im lichten Durchgang eines fast verlassenen Marktes warten kleine, gelegte Berge Maniok, Kochbananen, gruener Papaya, Zwiebellauch und Krautkoepfe. Beleuchtete Staende locken das Auge mit blumiger Pracht und saegenden Geraeuschen. Auf Scheiben des Bananenstrunkes entstehen kunst und variantenreiche Gestecke fuer das nahende Loy Krathon, genannte Lichterfest. Etwa zeitgleich mit den Ende der Reisernte, danken die Thai der Wassergoettin fuer die Gaben des vergangenen Jahres.
Auf den Feldern kreisen gedrungene Maehdrescher, bemalt wie bunte Insekten, inmitten kleiner Staubfahnen. Manche Buddhas tragen, zum Beginn der Winterzeit, gewebte Tuecher ueber den Schultern und Ohr betaeubend zwitschern Vogelschwaerme zu Funken letzten Licht.