Die Dichte der Cafes, gefolgt von Bart- und Haarschneidern, hier Berber genannt, ist schier beeindruckend. Manche Kleinstadt zeigt bei der Einfahrt drei, vier, fuenf von ihnen, bevor sich die Tuer zum ersten Laden oeffnet. In Pogradec finden wir ueber Kontakt einen Teil der Herrnhuter Bruedergemeinde, im alten Osmanischen Viertel Charme und Begegnung.
Kunstvolle Wasserspender ueber steinernen Waschstellen, verwinkelte Haeuser, gruene Hoefe, wild gezimmerte Zaeune, halboffene Tueren, flache Stufen, steinig ansteigende Gassen. Oben eine Strasse im Bau. Viele Leute gruessen, eine Frau kommt aus einem Cafe um zu fragen. Nah und steil die Berge mit schmalen Terassen, die ersten Hoefe mit Heubergen und Felder kleben ueber den Daechern der Stadt. Ein Knick im Fussweg und schon steht man vor der Xhamia e Gorcas.
Eine kleine Moschee mit Austritt auf dem Minarett. Die 14jaehrige Erida spricht uns an und auf meine Frage ob man auf den Turm gehe kann, meint sie, in ein paar Minuten kommt der Prediger. Ihre Uebersetzung und die freundliche Offenheit von Drehtan, lassen uns an der Andacht der jungen Maenner teilhaben. Waehrend Carmen mit den jungen Maedchen auf der Empore den Gebetsregeln folgt, lasse ich unten alles auf mich wirken, sehe durch kunstvoll vergitterte Fenster bunte Blaetter im Wind, schliesse die Augen, spuere den Raum mit arabischen Woertern sich fuellen. Asam allaikum, Allaikum as salam.
Die Buchhandlung in der Rruga Nalu-Fasheri wird von Stella gefuehrt. Sie bedauert sehr, dass viele Neubauten das Bild und damit ein Stueck Leben der Stadt, mit ihren kleinen Strassen, zerstoeren.
Halboffen das grosse Balkonfenster, Fensterfluegel legen Licht in lange, schmale Streifen. Von der mit aufgebrochenen Steinen gefplasterten kleinen Strasse kommen erste Geraeusche. Toroeffnen, Rufe, Hundebellen, Motoren, Kinderrennen, Teppichklofpen, Liederfetzen, ein Schwarm Spatzen spritzt vorbei. Der Himmel tritt, wie nach einem verschwiegenen Gebet, aus blauen Gassen hervor.
Fuellen die Beutel auf dem Basar, bekommen Granataepfel geschenkt und muessen uns zwischen zwei Olivenverkaeuferinnen entscheiden. Wie von einem Throne herab, lassen sie die Schoepfkellen ueber ihrem Reiche wandern.
Die Rueckseite der Hochhaeuser zeigt ein nahezu wildes Bild von Fenstern und Balkonen, Waesche, Gittern, gestapeltem Holz und Gruenzeug. Unter einer Leine mit halbverblichenen Handtuechern, fegt eine schwarz gekleidete alte Frau mit schneeweissem hochgebundenem Kopftuch, den Gehweg. Der kleine Enkel bringt ihren Stock durch die Haustuer getragen.
Die Tageszeitung, zwei Cafetische weiter, berichtet von internen Papieren, die das Verhaeltnis von Mehmet Shehut, einem Partisanen und Politiker, zu Enver Hoxha beleuchten. Nachdem sein Sohn nicht linientreu geheiratet hat, wird er von Parteiseite geaechtet und begeht 1958 fraglichen Selbstmord. Wenig spaeter wird ein Teil seiner Familie in geheimen Prozessen verurteilt.
Nahes Hundeklaeffen und -bellen weckt uns an diesem Morgen. Die graue Wolkenfront der Nacht scheint kaum bewegt, nur aus den lockeren Schichten reissen Stuecke um zu reisen. Hier liegen samtene, steile Berge in weichem Licht entfuehrt. Die Stadt Erseka fast mit einem Blick durchschaubar, ein helles frisches Marktviereck, graue Platte, kleine Laeden, eine Maennerrunde loest sich auf, Strassenhunde druecken sich an Mauern.
Dann Strassendoerfer wie Malican, Kishet, Borova. 1945, ein Dorf still umstellt, kleine Hoefe, Bergbach, eine Bruecke. Vergeltung fuer einen Partisanenueberfall auf deutsche Truppen. Sprich Hinrichtung von 116 Frauen, Maennern und Kindern. Blut und Schrecken zwischen Mauern, die Felder oed und schwarz.
Trotz der gut ein Dutzent Kilometer langen Abfahrt und eines merklich waermeren Abendwindes, bleibt die Nacht am Fusse des maechtigen Mali e Drites kuehl. Der Morgen zieht die grauen Tuecher in die steinfarbenen Wasser, des aus dem griechischen Oros-Gebirges kommenden, Vsoses-Fluss. Zuschauend rollt Waerme von den scharfen Graten und Zinnen einer trutzigen Himmelsfestung. Finken- und Schwalbenschwaerme zucken vorbei. Kurz waehrt das Morgengold, bis es zerfliesst in Ringe der Weite.
Das Bild berggefasster Taeler, meandernd, grabender Flusse, farbverschwimmender, diesiger Weite entschleunigt unseren Tag. Kleine Baeche, zum Teil muelluebersaet, liegen wie trockene Tentackel, in dichte Waelder kriechend. Und nah bei den Menschen erleben wir ihr freundliches Interesse, hoeren von beschwerlichem Los, weiten Wegen und geringen Mitteln einer weitreichenden Entwicklung fuer alle. Das Land im Spagat zwischen einfachem Leben und den Turbostaedten.