…sagte der Sohn einer Freundin, beim Anblick der Postkarte aus AMRITSAR und ich kann diesen Worten nur ein paar der meinen anfuegen, entstanden am Goldenen Tempel der Sikhs.
Hari Mandir
Von Marmor umflossen, Spiegelbild des Nektar
tritt ein in den Raum aus umtrommelten Gesang.
Auf den Stufen der Anbetung, ein Schleier aus Worten,
laenger als ein Tag, getaucht in die stillen Schritte der Nacht.
DER Bus schleppt sich ueber den steilen Schlangenpass von Ajmer herauf und windet sich dem ruhigen, uralten, hinduistischen Wallfahrtsort PUSHKAR zu. Der Legende nach, soll Brahma, auf der Suche nach einem geeigneten Opferplatz eine Lotusbluete `pushkar` aus der Hand gefallen sein. An der Stelle, wo die Bluete den Boden beruehrte, oeffnete sich eine Quelle und liess so, einen See entstehen.
Von Westen her verwischt zunehmend eine Wolkenwand die nahen Aravalliberge. Tief zieht sie herein, als wollte auch sie sich mit dem See, Juwel in der Wueste, vereinigen. Gleich den Glaeubigen, welche ueber die Stufen der Ghat`s die Welt der geschaeftigen Brandung verlassen, um im geheiligten Wasser ihren spirituellen Weg zu gehen. Frauen in leuchtender Saripracht und Maenner in Short`s tauchen ein, lassen sich treiben, vollziehen mit glaenzenden Metallgefaessen ihre Kulthandlungen. Taubenschwaerme lassen die Luft vibrieren. Unzaehlige Tempel inmitten der stufenfoermig ansteigenden, weiss gekalkten Haeuser, geben diesem Bild von zeitloser Schoenheit einen Rahmen.
GERUCH, ein fliessender Augenblick
Idee Sylvia / Stadt Jodhpur
Umstaende die uns wecken, gibt es viele. Aber das soll hier keine Rolle spielen. Es ist der Augenblick danach, das Spueren, das Riechen. In diesem Fall der Kuehle des Morgens, auf der Haut, in den feinen Haaren der Nase. Einem Duft von tauschwangerer Wiese am noch nachtkuehlen Bach. Durch das Haus, einem alten Haveli, dass um einen Innenhof erwaechst, schickt die gute Kueche ihre Gerueche. Tritt man vor das Tor, waehlt den Weg nach rechts, draengt sich von der anderen Seite eine Werkstatt auf. Die Nase fasst Oel, Metall und alte Lappen. Auf der kleinen Kreuzung hat eine Ansammlung von Kuehen schon einiges fallen lassen und nach drei, vier Ecken der Altstadt, atmet man am Saddar-Markt den ersten Sonnenstaub, mit einer Spur suess-herb, durch die beschwingten Besen des neuen Morgen. In den Gassen und Basaren bietet sich ein Kaleidoskop, dass jeder anders empfindet, dass der Waerme, dem Wind, den Wirbeln der Zeit ausgesetzt ist. Zwischen Brat und Roestgeruechen, springt die Seife des Barbier heran und ein offener Abwasserkanal mischt sich von unten ein. Fahnen auf den Hindutempeln, weisen den Weg, der die Eintretenden mit Weihrauch begruesst. Draussen begegnen sich zwei Handkarren und schon waechst, zu beiden Seiten, eine rasch wachsende Schlange von knatternden Vehiekeln. Die Wolke darueber, mit einem Stich ins Blaugrau. Ein stechender Pfuhl kommt mit der Pissmauer der Maenner. Erholung naht bei Zwiebel, Tomate und Zitrus. Versoehnung neben Duft und Gelb der aufgeplusterten Studentenblumen, welche zu Reigen aufgezogen werden. In einer wuerzig-herben Wolke, der Gruss des mir bekannten Tabakhaendlers und da vorn, in der schmalen Gasse, treffen sich mal wieder zwei Handkarren.
TAGE, die begleiten
Ist man laenger auf Indiens Strassen unterwegs, glaubt man in den letzten Tagen der Woche einen Hauch von Ruhe zu spueren. Vielleicht sitzt man laenger bei einem Tee, sind die Gemuesebeutel voller, legt sich ein Arm mehr um eine Schulter, ist der Verkehr eine Spur ruhiger. Vielleicht taeusche ich mich auch, ist es eher ein Wunsch fuer die Menschen, in meiner luxerioesen Verklaertheit von Zeit. Unter den fuer uns meist unvorstellbaren Lebensumstaenden und Wegen, empfange ich das Laecheln der Menschen, versuche mir Zeit fuer ihre Worte, ihr Sein zu nehmen. Entlang einer Gelb und Schriftverblassten Mauer, faellt der Bilderfaecher ins Unendliche. Junge Frauen an einer Pumpe, waessern ein Stueck Brachland, Schulkinder mit Brotdose und Ranzen, gestreiftem Schlips oder weissem Tuch, ueber der Breust gelegt zum V, auf blauer Bluse. Wandernde Gemuesekarren, haemmernde Werkstaetten, aufrechte Frauen unter der Last ihres Lebens, Besenmann und Scherz der Jugend. Sonnenglanz auf dem Armreif dunkler Haut und dem flatternden Lamettaschmuck eines Traktor. Schuttbeladene Esel und trottende Kuehe, Musikfetzen aus einer Rikscha. Wartende Schuhe vor den Stufen einer Moschee und durchscheinendes Tuch auf pechschwarzem Zopf, ueber allem der in sonniger Bleich schwimmende Himmel.
NICHT genug, dass Udaipur bezaubert, die Sinne schwingen laesst, hier fand ich nach Kunst entberungsreichen Wochen, Farben, Formen, Werke in betoerender Fuelle inmitten der Symphonie eines Zen-Garten – sah die Frauen eines Giacometti, Lutz Fleischer`s Zuendkerzen, Picasso Face und die Bogenschwuenge des Henry Moore, Guenter Uecker`s Spuren im Sand, den Wind in einem SW-Foto, wandernde Sonne ueber hartem Bambus und noch haerterem Marmor – sah es immer wieder und immer wieder neu, war ein aufgeschlitztes Vakuum, in das dies alles stroemte.
WOCHEN und hunderte Kilometer hinter Kashgar, kommt die Naehe zum `Mythos Seidenstrasse` fast unerwartet. Auch wenn die Angaben zu einer suedliche Route ueber den Vorderen Orient widerspruechlich sind, alle Routen sind das Ergebnis einer sich ueber Jahrhunderte erstreckenden Verknuepfung zwischen Orient und Okzident. Nun also JAISALMER, als haetten Stadt und Fort sich aus den kastig-sandigen Farben der Ebene erhoben und als Mauern, Tuerme, Fenster und Tueren fertig waren, sich noch nicht zufrieden gegeben. Ein Spiel gefunden bei Erkern, gebogenen Daechern, duennen Gittern, kleinen Balkonen, Saeulen hinauf und Stufen hinab, sich in fein-verspielten Ornamenten zum Hoehepunkt aufgeschwungen. Jain und Hindutempeln wurde ein gedraengter, verschachtelter Platz gewaehrt. Die Patina des Sandstein den Winden des Mittelalter geschenkt.
DRACHENHIMMEL
Vor langer Zeit, im Radjasthan der maechtigen Maharadjas, war BUNDI eine Stadt wie viele andere auch. Vier Stadttor, drei Kreuzungen, zwei Tempel und einen Markplatz. Doch Bundi hatte mit dem Wind Kunde von schoenen, grossen Staedten bekommen. Von Staedten im Norden, denen im Morgenlicht und solchen im Zenit der Sonne. Seither dachte sie an nichts anderes, als einen Teil der sie umgebenden, fernen Schoenheit zu besitzen. Sie gab dem Wind ein halbes Dutzend grosse, bunte Drachen, unter der Bedingung, sie auch ja heil wieder zurueck zu bringen. Der Wind, verspielt wie ein Kind, packte sie sogleich, trug sie ueber seine unsichtbaren Stufen hinauf, bis nur noch ein Punkt von ihrem Dasein kuendetet. Am Abend brachte er sie, erschoepft und gluecklich, auf die Daecher von Bundi zurueck. So kam es, dass Bundi mit dem Wissen der Drachen, die Schoenheiten der Schwestern in sich zu vereinigen wusst. Das hingehauchte Rosa von Jaipurs Toren, Jaisalmers verspielte Sandsteinornamente am Palast ueber der Stadt, die Nuancen der blauen Brahmanenhaeuser von Jodhpur, die hohen, schmalen Gassen zu den Gaths von Pushkar und das Lichtspiel auf den Udaipurer Seen. Und noch heute tanzen mehr Drachen in Bundis Himmel, als ueber irgendeinen anderen Stadt. Spielt der Wind mit ihren Farben, reisst manchen im Uebermut los. So taumeln sie, nach dem Rausch der Freiheit, in die Verschmelzung einer kleinen aber feinen Schoenheit.
Die Tage enden mit dem Untergang und
die Naechte mit dem Aufgang der Sonne.
Das Ende einer Freude ist stets ein Leiden und
das Ende eines Leidens stets eine Freude.
Dieses Indische Sprichwort in den Jahreswechsel, dem Dankbarkeit und die Hoffnung auf der Windrose Duft, auf Sternentanz und Sturmgesang zustroemt.
Delhi 01.01.2011
Amritsar-Jaipur-Pushkar-Jodhpur-Jaisalmer-Mt.Abu-Udaipur-Bundi-Delhi 1300 km Rad / 1200 km Zug, Bus