Iran – Zeit auf den Wegen

 

 

 

Dreckig stehen die Raeder in einer offenen Veranda im Hof von Mohebis Mutter. Wasser aus dem Schlauch, ein wilder Garten, Kuehe im Stall, ein Zimmer mit Teppich und Kissen, die Fenster Licht.

Seit uns in den kurdischen Bergen naechtlicher Regen eine Ladung Sand ueber das Zelt gespuckt hat, sind fast zwei Wocher vergangen. Zeit voll ungeplanter Wege, Aufmerksamkeit, Fuersorge, Handybildern, kurz Aks genannt und fast euphorischem Interesse. In Saqqez teilen wir mit Kahwan, Fatima und ihrer grossen Familie ueber Tage Haus und Hof, Essen und gemeinsame Autofahrt in die Berge, den morgentlichen Gang zum Baecker, das gemuetlich machen zum Tee, Sorgen und Hoffnungen, den Djelmon, einen Tanz voll kurdischer Identitaet. Der letzte gemeinsame Gang ueber den verwinkelten Basar ist wie ein Reigen. Vertrauen, Freude, Waerme und Schmerz im Abschied.

 

 

 

 

 

 

 

Am Ortseingang von Marivan steht ein weithin sichtbarer, kampfbereiter Peschmerga aus Bronze, an dem Hunderte LKW ueber den einzigen Grenzuebergang gen Irak pendeln. Viele von ihnen transportieren Rohoel zur Veredelung ins Nachbarland. Aus Protest gegen um sich greifende Armut, grasiernd steigende Preise und den Mangel an Stellen fuer ausgebildete Fachkraefte bleiben seit mehrern Tagen viele Geschaefte und der gesamte Basar geschlossen. Unabhaengige Beobachter sprechen als Gruende das Ausbleiben einer Reform im Finanzsektor und die ungebrochene Macht der korrupten Wirtschaftselite an. Und nicht zu vergessen , das Hindernis USA. Eigenmaechtige Sanktionen und illegale Verbote fuer europaeische Unternehmem verhindern eine Belebung der Handelsbeziehungen und schueren die Unzufriedenheit der iranische Bevoelkerung.

 

 

 

 

 

 

Fuer die letzte Nacht gab uns Akbrzade ein Lager. Der Azerbaijaner lebt, fern der Stadt, seinen Traum von einer grossen Tierfarm. Sein Zuhause, inmitten von Gehegen gehoernter, zotteliger, gefiedertet Fauna, sind ein hingeworfener Schreibtisch mit zwei Flinten darueber. Zwischen Pfauenfedern und einem ausgestopften Fuchs das Bild seines Enkelkindes. Eine kleine Kueche fuer Tee zu Frischkaese, Lavasch und Honig. Bett und Klo, im Fernsehen laeuft ein tuerkischer Kanal. Eine Frau gibt es seit 8 Jahren nicht mehr. Die Menschen in den zwei azerbaijanischen Nordprovinzen des Iran sprecher in erster Linie Tuerkisch und Azeri, Farsi in Schule und Amt.Zum gemeinsamen Abendessen schildert er mit grossen Augen und buehnenreifer Pantomime, wie er den ausgebrochenen Baeren Mischka wieder in sein Gehege bringen konnte. Zum Abschied einer festen Umarmung, wischt sein weicher Rauschebart ueber meine Wange.

 

 

 

Das Land flach, sich naehernde Berge mit grauen Muetzen. Aus Niesel wird Regen und nass wie die Maeuse, werden wir, von der Fernstrasse weg, zum Feiertagsessen in ein Dorf eingeladen. Rachmals Familie besucht seine Mutter und in grosser Runde essen wir leckeres Dizi. Eine traditionelle Suppe aus Kichererbsen, Kartoffeln, Moehren und Hammelfleisch. Nach dem dritten Tee sagen wir “ Mamnun, Koda Hafez “ und kehren dankbar auf die nasse Strasse zurueck.

Das erwartet Hotel in einer der schoensten Buchten des Orumiyeh – Salzsee hat geschlossen, doch ein Wachmann lotst uns mit seinem weissen Peugeot „Pars“ ins nahe Qushchi. Dort telefoniert der Besitzer eines Lebensmittelladens wegen eines Quartier. Wenig spaeter kommt Mohebi ueber die Strasse auf uns zu. Fein geschnittenes Gesicht, Brille, gutes Englisch. Von Beruf Lehrer und mit einer Lizenz zum Touristenfuehrer. Keine Stunde spaeter sind wir mit seiner Frau Leila, Schwester Sohels und Tochter Eisu auf einer azerbaijanischen Hochzeit. Leila und Sohela betreiben fuer Qushchi und Umgebung ein extra Frauentaxi. Fuer die Strophen des Abendliedes verlassen wir den Trubel Richtung See.

 

 

 

 

Hier broeckeln riesige Felsbaender, aus langen gruenen Taelern fliessend, in den milchigen Spiegel impressionistischer Gefilde. Gleich kalbenden Gletschern ragen steile, hohe Felsstuempfe aus trockenem, salzig gespenkeltem Sand. Der See , vom Ufer aus ins Grau variierend, mischt aus der Hoehe Nuancen von Gruen und Gelb hinzu, poliert gefaecherte Spiegel unter bruechiges Gestein. Sacht ansteigende Fruehlingswiesen wogen in zartem Karmin und Zitron. Die ueber erdig, braunen Daechern schwimmende goldene Kuppel einer Moschee, ist wie ein vom Himmel gefallener Hundertwasser – Gruss. Ferne Gipfel tragen Schnee, als ob sich Tore in die Heimat noch oeffnen werden.