Zieht man den Blick rasch vorbei, glaubt man die Bucht von Saranda sei unter helle, weisse Segel gesetzt oder hellenische Tempelanlagen liegen leuchtend in der Mittagssonne. Steht man mittendrinn, ist der Himmel ein scharf geschnitten, kantiges etwas, sperren enge Betonfluchten Berge und Waelder aus, heischen Schilder um Aufmerksamkeit, blinzeln Leinwaende von ungebauten Resorts ueber gaehneneden Felsloechern herab. Nach dem Ansturm eines knappen Dutzend Wochen sind die Balkone leergefagt, laeuten blasse Jalousien den Ton einer Geisterstadt.
Nur hier und da kippelt ein Barhocker, zischt ein Espresso, rollt eine Busladung, der am Poolstrand, von der Sonne gekreutzigten Leiber, zum gebuchten Ausflug. Und laengst ist die Hydra weiter gekrochen. Und vielleicht ist es dem nahen, unter UNESCO und Naturschutz stehenden Butrint und seiner Lagunenlandschaft zu verdanken, das vor einigen Jahren eine Regierungaktion mit Polizei und Buldozern, im nahe gelegenen Ksamil, dem wilden bauen die harte Faust zeigte.
Ueber dem eher trostlosen Weg der Uferpromenade liegen nun Haeuser wie flach gedrueckte Huete, wie gestrandete Schiffe im Dickicht des Huegels. Und wie troestlich ist der Weg durch die Ruinen von Butrint, wo imitten des Baumeister Natur, glanzvolle Epochen friedlich und stueckhaft, broeselig vereint.
Anfangs hielten wir es fuer einen Scherz, eine Marotte. Doch dann tauchten sie immer mal wieder auf. Am Gartenzaun, ueber Hauseingaengen, im Giebel von Fassaden. Puppen, eher plueschige Wesen, meist sonnverblichen, manches noch mit Farbe im Kleid oder der nussigen Braeune eines Fell. Dazu gesellen sich die Hoernerschaedel von Ziege oder Schaf. Unser fragen brachte den Namen PAPAVENGO hervor. Wohl der Schutz gegen den boesen Blick, wobei mit der flachen Hand gen Himmel, die Augen auf halbem Weg gehoben, gezeigt wird.
Das ist das Ende. Im letzten Zipfel Albaniens, waermt die Sonne, zieht die Nacht ihr Licht ueber den Schotter der einsamen Bergstrassen. Fruchtbare Streifen breiter Taeler, gekerbt, geschliffener Fels, das Fruehjahrsbett langer Winter, begleiten uns zu steilen Serpentinen.
Wenige Hundert Meter ueber den vereinzelten Daechern von Zminec beginnt Griechenland. Kleine Kapellen markieren die Zugangswege. Menschen orthodoxen Glaubens leben als Minoritaet seit Generationen mit ihren Wurzeln nahe der Heimat. Zwische unscheinbarem Ladencafe und Kirche treffen wir Gregorius. Waehrend im griechischen Fernsehen ein Bericht ueber die Abstimmung in Katalonien laeuft, trinken wir Kaffe und Dosencola, raucht Gregorius seine Schachtel leer, nippen alte Maenner an ihren Rakigleassern. In einem Spalt der blassgelben Gardine rafft der Abend, die Waerme des Tages, zu roten Gipfelfahnen.
Bienen, Kuehe, Schafe und Huehner ernaehren und beschaeftigen Gregorius und seine schlanke Frau Dimitrulla. Ihre Haende sind geformte Kraft eines taeglich, archarischen Lebens. Die Wildschweinjagd passt zu den verschmitzt, verwegenen Bildern eine Gregorius, die im dicken Fotoalbum stecken. Dazu Taufe, Hochzeit, gefangenen Augenblicke des Leben, verloren wirkende Teenager vor einem schmucklosen, grossen, braunen Sofa.
Um das Ehebett, in dem wir schlafen duerfen, ein Schritt zum Schrank, ein Stapel Decken zu Fuessen, Taschenlampen auf dem Fenstersims. Kraehender Morgen, Geraeusche im Daemmerlicht, ein klopfen an der Tuer. Als Kaffe, Honig und Brot vor uns stehen, ist Dimitrulla schon aus dem Haus.
Die letzte Kuehle der Nacht begleitet unser dankbares Gluecklichsein, als wir zwischen Kirche und alter Schule die Raeder zurueck auf den steinigen, wunderbar offenen Weg eines neuen Tages, schieben.