Mit letzten, pelzigen Rialscheinen verlassen wir nach gut sieben Wochen den Iran. Was folgt, ist turkmenisches Totland aus Lehm und Salz. Dann Usbekistan, zu zwei Dritteln Wüste. Aber auch Quellen voll Farbe und Anmut. Nach schwarz wandelnden Gassen und Basaren, wecken berauschte Blicke, die scheinbar schlummernden Sinne. Turkmenische Frauen und Mädchen tragen bunte, gemusterte Tücher, bodenlange, schmale, farbkräftige Kleider und die Würde des aufrechten Ganges.Auf der Transitstrecke gen Turkmenabath lassen wir gestrandete LKWs und üble Straßen hinter uns, finden in Derkars Haus nächtliche Gastfreundschaft und ziehen an postsozialistischem Palastgehabe vorbei.
Amu Darjar, Zauberwort aus dem Schulatlas. Zentralasiatischer Nil, in den Aralsee mündend. Das war einmal. Längst dürstet der See. Amu Darjars Wasser fließt in unersättliche Baumwollfelder und markiert den Auftakt eines alten Kulturraumes. Transoxanien, bis zum nördlich gelegenen Syr Darja reichend, birgt zweieinhalbtausendjährige Sagenstädte, während usbekische Geschichte von religiöser Polyfonie vor dem flächendeckenden Islam, vom Wissens- und Warentransfer entlang der Großen Seidenstraße, den Kriegswalzen Alexanders und Dschingis Khans erzählt.
Der bis dato einzige Präsident des jungen Usbekistan, Islam Karimow 75 Jahre alt, herrscht vermutlich auf Lebenszeit. Unbedrängt von Opposition, machtkritischen Medien und Streiks.
Buchara, „die Edle“, prunkt im Kern der Altstadt mit islamischer Hochkultur. Drumherum in Gassen wandern, bis irgendwann die Nacht erblüht und Minarette Wüstenschiffen leuchten.
Weiter draußen ist das Land ergrünt, auch Berge sind erschienen. Graues Bollwerk, von Steppenwind durchkämmt. Milchiger Gipfelschnee über den Dächern Samarkands, gleich Fahnen der entfernten Kinder des tadschikischen Pamirgebirges. Und sie locken uns. Vom finalen Registan, der mit Moscheen und Medresen, unermesslich zirkelt das Geschling der Arabesken, zu immer kleineren Dörfern des Zomin Nationalparkes hin. Eselreiter, streunende Hunde, Baumblüte, Mädchen und Kalb, kreisender Falke, tote Kuh, Herden ins wallende Land gestreut. Kinderschar im Flußtal, einsamer Weg der Schneegrenze zu. Aus abendsonnigem Talkessel blüht ein Gefühl der Freiheit und des Glücklichseins. Doch jäh stoppt uns die Wirklichkeit, als nach einer kilometer langen Abfahrt, Soldaten eines Checkpoint mit Schlagbaum die Weiterfahrt verweigern. Ohne es zu ahnen, geschweige etwas am Wege zu lesen, sind wir in eine Sperrzone zum bergigen, tadschikischen Grenzland gefahren. Als wegen Sitzstreik die Kalaschnikow entsichert wird, ziehe wir uns auf eine Wiese für die Nacht zurück. Doch da liefert das Militär keine Nachsicht. Räder und Gepäck auf einen LKW und mitternächtliche Schlaglochfahrt zur Polizeistation der Gebietshauptstadt. Was folgt, sind vier Tage Überwachung, Transport nach Taschkent und die vorzeitige Abschiebung gen Deutschland.
Aber wir sind nicht enttäuscht, leben vom Bewustsein, eine lange, erfüllte, unwiederbringliche Zeit gelebt zu haben. Diese Reise ins Ungewisse, Sinnbild für das ganzue Leben, webt am Gefühl, vom Augenblick zu kosten. Denn jedes Gesicht, jede Stadt, jedes spielende Kind wird so nie wieder zu sehen sein.
Und im Wind der Steppe ahne ich der Rose Duft, wie kleine Momente der Wahrheit und des Unerwarteten.
Hingabe ans Dasein
Lauschen und Stille
das Feuer geht nicht verloren
tief berührt
am Fluß
daheim.